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Archiv-Artikel

USA haben Grund, nach einem Ausweg ohne Krieg zu suchen

Die Option, Saddam per Exillösung loszuwerden, ist der Bush-Regierung insgeheim womöglich genehmer als ein Waffengang in Zeiten der Haushalts- und Nordkoreakrise

WASHINGTON taz ■ Saddam Hussein verlässt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in einem von Moskau bereitgestellten Flugzeug das Land. Auch seine Gefolgsleute gehen ins russische Exil. Der Krieg fällt aus. Die USA installieren in Bagdad eine Marionettenregierung, russische Firmen dürfen auch weiterhin Milliardengeschäfte mit dem Irak machen. Putin feiert einen außenpolitischen Vermittlungserfolg, und Bush verkündet, dass nur das gewaltige militärische Säbelrasseln letztlich den Frieden gebracht hat. Eine Fiktion?

Angeblich bemühen sich Russland und die USA in geheimen Verhandlungen, dem irakischen Diktator eine Exillösung schmackhaft zu machen. Natürlich wird dies von offizieller Seite in Washington weder kommentiert noch bestätigt. Dass eine Abdankung des Diktators jedoch einen Krieg verhindern könne, hat vor Tagen selbst US-Verteidigungsminister Rumsfeld eingeräumt.

„Die Bush-Regierung ist bei weitem nicht so erpicht darauf, in den Krieg zu ziehen, wie viele glauben. Wenn es einen anderen Weg geben sollte, Hussein loszuwerden, warum nicht“, sagt Helmut Sonnenfeld vom Brookings Institut in Washington, einem liberalen Think-Tank. Es sei jedoch enorm schwer, die wirklichen Absichten des Weißen Hauses zu erkennen. Drohkulisse oder Kriegswillen? Man müsse weiter davon ausgehen, dass alle Optionen offen seien, auch wenn – auf Grund der zunehmenden Truppen- und Materialverlagerung in die Golfregion – alle Zeichen auf Krieg stünden. Fest steht allein das Ziel der Bush-Regierung: Regimewechsel in Bagdad. Nur so sei letztlich eine ernsthafte Abrüstung durchsetzbar, argumentiert das Weiße Haus. Dass man dabei immer noch auf einen Putsch oder eine Tötung Saddam Husseins hofft, ist kein Geheimnis.

Auch wenn Russland einen zweifelhaften Ruf hat, Diktatoren dieser Welt Exil anzubieten, hält es Charles Pena vom konservativen Cato-Institut in Washington derzeit für kaum vorstellbar, dass Saddam Hussein dort tatsächlich Aufnahme findet. Die Frage sei, ob Russlands Präsident Putin seine freundschaftlichen Beziehungen zu Bush mit einem solchen Schachzug auf Spiel setzt oder diese die Exillösung erst möglich machen. Russland habe wenig zu verlieren. Bush riskiere hingegen einen herben Gesichtsverlust. Für jemanden wie ihn, der die Abrechnung mit Saddam Hussein längst zur persönlichen Sache gemacht, den Diktator mit Hitler verglichen und gefordert habe, ihn vor ein internationales Gericht zu stellen, sei die Exilvariante keine Auswegstrategie, so Pena. Zudem werde allgemein bezweifelt, dass Saddam ein mögliches Angebot tatsächlich annehmen wird.

Jenseits der moralisierenden und kriegerischen Bush-Rhetorik gegenüber dem Irak gibt es für die US-Regierung handfeste Gründe, nach einem Ausweg ohne Krieg zu suchen. Die Wirtschaft lahmt, der Feldzug würde riesige Löcher in den ohnehin verschuldeten Haushalt reißen, und die Nordkorea-Krise bringt das Weiße Haus in außenpolitische sowie militärische Bedrängnis. „Alles ist daher möglich, und seltsame Dinge geschehen immer wieder“, sagt Pena.

Wenig attraktiv findet dagegen Daniella Pletka vom Center for Strategic and International Studies die Exilidee. Das Problem sei nicht nur Saddam, sondern auch die Baath-Partei und der Regierungsapparat. Zu hoffen, dass im Irak nach einem Abdanken Saddams die Demokratie einziehe, sei Wunschdenken. Die entscheidende Frage laute ohnehin: „Was kommt danach?“ Bislang habe die US-Regierung – unabhängig vom Szenario – darauf keine schlüssige Antwort gegeben. MICHAEL STRECK