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US-Truppen in der BRD mobilisiert

■ Die Irak-Krise belebt die Diskussion um die Rolle der Bundeswehr außerhalb des Nato-Gebietes

Von Andreas Zumach

Berlin (taz) - Wie schon während des Krieges zwischen Irak und Iran schickt die Bundesmarine wegen der Golfkrise Schiffe ins östliche Mittelmeer. Noch am Mittwoch hatte Verteidigungsminister Stoltenberg einen solchen Schritt ausgeschlossen. Ob diese möglicherweise bis in den Persischen Golf verlegt werden sollen, ist innerhalb der Bonner Koalition ebenso wie zwischen Regierungs-und Oppositionspolitikern umstritten. Inzwischen wurden die US -Soldaten in der BRD in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Das Bonner Verteidigungsministerium widersprach Berichten, wonach das bilaterale Unterstützungsabkommen (War Time Host Nation Support Agreement WHNS) von 1982 die rechtliche Grundlage für die den USA auf deutschem Boden gewährten Lande- und Überflugrechte im Zuge von Nachschublieferungen in die Nahost-Region biete.

Bei der Bekanntgabe des Beschlusses zur Entsendung von fünf Minensuchbooten und zwei Versorgungsschiffen mit rund 500 Marinesoldaten schloß Regierungssprecher Klein (CSU) ebenfalls eine Verlegung in den Persischen Golf nicht aus. Ein solcher „möglicher Einsatzbereich“ würde sich „nach der tatsächlichen Entwicklung der Lage zu richten haben“. Am Donnerstag hatten sich bereits mehrere Unionsabgeordnete für militärische Unterstützung der USA in der Golfregion ausgesprochen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes meinte, Klein sei „eventuell mißverstanden“ worden. Zuvor hatte AA -Staatsminister Schäfer eine „Entsendung von Bundeswehreinheiten in die Krisenregion“ mit dem Hinweis auf „klare Bestimmungen des Grundgesetzes“ abgelehnt. Ähnlich äußerten sich VertreterInnen von SPD und Grünen. Schäfer forderte jedoch zugleich eine „baldige Verfassungsrevision“ , um die Beteiligung von Bundeswehreinheiten an UNO -Friedenstruppen zu ermöglichen.

Nach Informationen der taz aus US-Militärkreisen sind die in der BRD stationierten US-Streitkräfte inzwischen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden. Seit langem vorgesehene Versetzungen in andere Regionen oder zurück in die USA wurden storniert sowie eine Urlaubssperre verhängt. Die GIs dürfen sich nur soweit von ihren Kasernen entfernen, daß sie spätestens innerhalb von 24 Stunden wieder an ihrem Stationierungsort sein können. Diese Maßnahmen stellen in der Regel die erste Stufe der Mobilmachung dar.

Für die von Kanzler Kohl in einem Telefonat mit US -Präsident Bush erteilte Erlaubnis, wonach US-Kampfflugzeuge auf dem Weg in die Golfregion die BRD überfliegen bzw. auf in der BRD gelegenen US-Basen landen und Material einladen dürfen, gibt es nach Auskunft des Sprechers der Hardthöhe „keine besondere rechtliche Grundlage“. Auf der Pressekonferenz von Minister Stoltenberg am Mittwoch war der Eindruck entstanden, die Genehmigung stütze sich auf das 1982 zwischen Bonn und Washington abgeschlossene WHNS -Abkommen. Es sieht die Möglichkeit vor, daß bis zu 90.000 Bundeswehrsoldaten auf dem BRD-Territorium logistische Unterstützung für das US-Militär leisten und Aufgaben von US -Soldaten übernehmen, falls diese zu Krisen- oder Kriegseinsätzen aus der BRD in andere Regionen verlegt werden. Nach Auffassung der Bundesregierungen seit 1982 gilt das Abkommen nur für den Fall von US-Militäraktionen innerhalb des Nato-Vertragsgebietes. Washington interpretiert den Vertrag allerdings weiter und möchte das Abkommen auch bei Aktionen außerhalb des Nato-Gebietes anwenden. Diese Frage ist im Text des Vertrages nicht geregelt, worauf KritikerInnen aus Friedensbewegung, SPD und Grünen seit 1982 immer wieder hingewiesen haben. Sie fürchten, daß die USA die BRD mittels des WHNS-Abkommens immer stärker in militärische Aktionen in der „Dritten Welt“ einbinden könnten. 1987 wurde die Entsendung der Bundesmarine ins östliche Mittelmeer, wo sie Aufgaben von an den Golf abgezogenen US-Schiffen übernahm, Washingtons Wunsch gemäß auf der Basis des WHNS-Abkommens geregelt. Kritiker des Vertrages rechnen damit, daß die USA auch jetzt auf eine Anwendung des Abkommens drängen werden.

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