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US-Kongreß schüttelt Fernseh- und Telefonmarkt

■ Weniger Beschränkungen für die Multis, Kinder sollen per Computerchip vor brutalen Sendungen geschützt und Pornografen im Internet bestraft werden

Berlin (AP/rtr) – Die amerikanische Telekommunikations- und Medienindustrie steht vor der dramatischsten Neuordnung ihrer Geschichte. Repräsentantenhaus und Senat stimmten am Donnerstag mit großer Mehrheit einer umfassenden Änderung des Telekomgesetzes von 1934 zu. Das neue Regelwerk setzt voll auf Wettbewerb: So dürfen nun lokale und überregionale Telefongesellschaften, Kabelbetreiber und Fernsehsender ihre Dienste künftig auf dem Markt des jeweils anderen anbieten. Auch wurden die Beschränkungen beim Besitz von Fernseh- und Radiostationen aufgehoben; eine Gesellschaft kann künftig so viele Sender besitzen, wie sie will, und darf mit ihren Programmen 35 statt wie bisher 25 Prozent aller Zuschauer in den USA erreichen.

Euphorisch begrüßten viele Abgeordnete das neue Gesetz. Mit der Unterschrift von Präsident Bill Clinton wird binnen Wochenfrist gerechnet. Die Befürworter des Gesetzes versprechen den Verbrauchern niedrigere Nutzungsgebühren, bessere Qualität der Produkte, mehr Meinungsvielfalt und größere Auswahl bei den Telefondiensten.

Verbraucherschützer befürchten dagegen eine drastische Erhöhung der Gebühren für Telefon und Fernsehen. Dadurch, daß Zusammenschlüsse von marktbeherrschenden Unternehmen künftig möglich sind, werde „der Wettbewerb nicht gefördert, sondern untergraben“, so Gene Kimmelman von der Consumers Union.

Überregionale Telefongesellschaften wie AT&T und Sprint stehen schon in den Startlöchern, um in den lokalen Telefonmarkt vorzudringen. Dort werden jährlich rund 93 Milliarden Dollar Gebühren kassiert, für Ferngespräche nur 67 Milliarden. Im Gegenzug wollen die sieben lokalen Gesellschaften, die sogenannten Baby Bells, so schnell wie möglich im Ferngesprächsbereich Fuß fassen. Die Baby Bells gehen dabei allerdings das größere Risiko ein, denn sie konkurrieren von nun an mit den mächtigen Branchengiganten und geben zugleich ihre geschützte Monopolstellung auf.

Den neuen Freiheiten wurden aber auch Schranken gesetzt: TV- Hersteller sind künftig verpflichtet, in ihre Geräte einen „V-Chip“ einzubauen. Der Chip soll Gewalt- und Pornosendungen erkennen und dann, falls gewünscht, die Sendung sperren. Wenn Kinder den Code nicht kennen, mit dem der elektronische Zensor wieder ausgeschaltet wird, können sie die laut US-Kongreß jugendgefährdenden Filme nicht sehen.

Auch die Rechtsvorschriften für das Internet und Online-Dienste werden verschärft. Personen, die wissentlich „unsittliche“ Programme in die weltumspannenden Datennetze einspeisen, wandern künftig bis zu zwei Jahre in den Knast. Auch Geldstrafen bis zu 100.000 Dollar sind geplant.

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