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US-Giftgasdepot neben Campingplatz angelegt

USA gaben früheres C-Waffendepot im pfälzischen Gerbach preis/ Bewohner zeigen sich über mögliche Rückstände beunruhigt/ Altlasten-Inspektion angesagt  ■ Von Joachim Weidemann

Mainz (taz) — Gerbachs manövergeplagter Bürgermeister Dieter Stock (SPD) erfuhr's erst dieses Wochende: Bei seinem Pfälzer Dorf hatten die Amerikaner bis 1967 Giftgas gelagert. Erst vor kurzem war die Bundesregierung von den Amerikanern vertraulich über diesen bislang völlig unbekannten Giftgas-Standort informiert worden. Die Nachricht, die Ende letzter Woche eher beiläufig aus der Bonner Hardthöhe zu vernehmen war, schlug in Gerbach ein wie der Blitz. Die Bewohner, so Stock, fürchteten jetzt Probleme mit Giftgasrückständen. Stock: „Das frühere Giftgasdepot liegt 100 Meter neben unserem sechs Hektar großen Campingplatz“.

Heute wird in Gerbach der C-Waffen-Spürtrupp der Bundeswehr erwartet. Am Mittwoch, sagt Stock erwartungsvoll, sollen erste Bodenproben im US-Altdepot entnommen werden. Doch egal, wie die Suche ausgeht: Das Vertrauen der Gerbacher hat nach Stocks Worten einen gehörigen Knacks weg. „Wir haben Zweifel“, so faßt er die Stimmung im Dorf zusammen, „ob wirklich alles Giftgas fortgebracht wurde. Und wir wollen endlich wissen, was in dem neueren, größeren Teil des US-Depots gelagert wird, das streng bewacht wird.“

Der Sprecher des Hauptquartiers der europäischen US-Armee (USAREUR), Hardesty, erklärte auf taz- Anfrage, die C-Waffen seien 1967 aus Gerbach abgezogen worden: „Die neuere C-Munition kam nach Clausen, die ältere wurde zur Lagerung in die USA gebracht.“ Wie Hardesty jedoch eingestand, wurden beim Abtransport keineswegs die gleichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen wie im Falle Clausen, sondern: „Die C-Waffen wurden behandelt wie konventionelle Munition.“ Um welches Giftgas und welche Mengen es sich dabei handelte, „konnte“ der US-Sprecher nicht sagen. Auch nicht, auf welchem Weg die C-Waffen damals in die USA verbracht wurden. Für Ortsbürgermeiser Stock Grund zur Empörung: Das „war wohl wieder so eine Nacht- und Nebelaktion!“

Jürgen Dietzen, Sprecher des Mainzer Innenministeriums, nennt die jahrelange Geheimnistuerei der US-Streitkräfte in Gerbach dagegen nur „eine erträgliche Überraschung“. Das Giftgasdepot habe „damals eben niemanden gejuckt“. Doch auch Dietzen rechnet jetzt mit Altlasten: Die US-Streitkräfte hätten „ja nicht zu allen Zeiten in der Vergangenheit die gleiche Sorgfalt walten lassen wie im C-Waffen-Depot Clausen.“

Dort im geräumten Clausener Giftgaslager, so sagte gestern der mit dem C-Waffenabzug der USA befaßte Hardthöhensprecher Helmut Fischer, sei alles „absolut umweltverträglich und rückstandsfrei“. Das hätten die Untersuchungen der C-Waffen-Inspekteure ergeben. Rheinland-Pfalz sei das Gelände bereits zur zivilen Nutzung angeboten worden. Fischers Nutzungsvorschlag: „Vielleicht kann man ja dort eine Champignonzucht aufmachen.“ Dietzen dagegen befürwortet eine andere Lösung: „Man kann das Depot jetzt ja auch für die Naherholung öffnen.“

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