US-Film „Sound of Freedom“: Verschwörung bis zur Filmreife
Der Thriller „Sound of Freedom“ zeigt schwarz-weiß gemalte Schurken und Helden. Das begeistert Politiker aus der extremen Rechten in Mexiko.
E in selbstloser Held, ein Haufen entführter Kinder, fiese Menschenhändler und ekelhafte Pädophile – „Sound of Freedom“ liefert genau das, was man von einem Spielfilm dieser Machart erwartet: schlichte Erzählungen, in denen die Guten und die Bösen zweifelsfrei ausgemacht sind. Keine Zwischentöne, musikalisch aufgeladener Pathos und mittelmäßige Spannung, zumal der kurze Showdown schlicht den zu erwartenden Erfolg des Protagonisten zeigt.
Dieser „Thriller“ beschreibt, aufbauend auf einer mehr oder weniger realen Geschichte des US-Sicherheitsbeamten Tim Ballard, wie dieser seinen Job hinwirft, nach Kolumbien reist und dort kleine Jungs und Mädchen vor Pädophilen und Organhändlern rettet. Im Hintergrund agieren mexikanische Kriminelle. Logo.
In den USA gehört „Sound of Freedom“ zu den erfolgreichsten Produktionen des Jahres, schon jetzt hat er über 180 Millionen US-Dollar eingespielt. Am 8. November läuft er in den deutschen Kinos an. Auch das wäre noch kein Grund, sich mit dem Film zu beschäftigen. Doch „Sound of Freedom“ hat für einigen Wirbel gesorgt, weil einige der Beteiligten an die Verschwörungsszene von QAnon angebunden sind.
Der echte Ballard und dessen Darsteller Jim Caviezel verbreiten deren wirre Erzählungen. Ex-US-Präsident Donald Trump bot auf seinem Sommersitz in New Jersey zusammen mit seinem ehemaligen Strategen Steve Bannon eine eigene Vorführung an. Mit dabei war neben Caviezel und Ballard auch Eduardo Verástegui. Der rechtsextreme Mexikaner ist Produzent des Filmes, den die christlichen Angel Studios verleihen.
Verástegui bewarb sich jüngst als unabhängiger Kandidat für die mexikanischen Präsidentschaftswahlen 2024. Ob er die nötigen Unterschriften für eine Kandidatur zusammenbekommt, ist fraglich. Gewinnchancen hat er nicht. Doch da die Oppositionsallianz gegen den linken Präsidenten Andrés Manuel López Obrador eine verhältnismäßig liberale Frau als Kandidatin ins Rennen schickt, könnte Verástegui ein Sammelbecken für Konservative schaffen, die mit dieser Entscheidung nicht zufrieden sind.
Ordnungspolitische Hardliner am Werk
Schon jetzt hat sich der 49-Jährige zu einem Frontmann der extremen Rechten Mexikos entwickelt. Er lässt sich mit ordnungspolitischen Hardlinern wie dem salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele fotografieren, organisiert sich mit Politikern wie Chiles Konservativen José Antonio Kast und Ungarns Staatschef Viktor Orbán und hält Kontakt zu rechten Parteien wie der spanischen Vox.
Als Mexikos Präsident der Trump nahe stehenden „Politischen Konferenz der Konservativen Aktion“ richtete er in seiner Heimat 2022 einen Kongress der Organisation aus, an dem der jetzt erfolgreiche argentinische Präsidentschaftskandidat Javier Milei und auch Bannon teilnahmen.
Verásteguis Bewegung Viva México poltert gegen LGBTQ, die Legalisierung der Abtreibung, „Wokeness“ sowie „kommunistische Konspirationen“ und verteidigt „die Familie und das Leben ab der Zeugung sowie religiöse Werte und Identität auf der Grundlage der Bibel“. Er inszeniert sich als Outsider, der gegen die Elite eintritt. Und als schonungsloser Kämpfer gegen sexuelle Ausbeutung von Jungen und Mädchen.
Verásteguis und das QAnon-Märchen
Wer sich „Sound of Freedom“ im mexikanischen Kino anschaut, sieht am Ende eine kleine Ansprache Verásteguis, in der er dazu aufruft, eine Bewegung gegen den Kinderhandel zu schaffen, und erklärt: „Gottes Kinder stehen nicht zum Verkauf.“
Man muss nicht die QAnon-Märchen vom Blut verschleppter Kinder anführen, mit dem sich die Elite stärke, um den Nutzen des Films für Verástegui aufzuzeigen. Obwohl die Macher von „Sound of Freedom“ mit sehr überhöhten Zahlen agieren und die Heldenstory Ballards umstritten ist, dürfte die Botschaft des Rechtsextremen gut ankommen.
Schließlich gehören Kinderraub für Prostitution und Organhandel zum Alltag in einem Land, das in Teilen von der Mafia kontrolliert wird. Bislang kann niemand dem Präsidenten López Obrador mit seinem Diskurs gegen eine vermeintliche Elite das Wasser reichen. Doch wenn er abtritt, können Leute wie Verástegui gefährlich werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“