US-Demokraten im Vorwahlkampf: Ungewöhnlich sozial engagiert

Auf einmal streiten sich Demokraten darüber, wer am weitesten links ist. Sanders und Warren sind in Form, Biden scheint ausgedient zu haben.

Bernie Sanders, Elizabeth Warren und Pete Butttgieg stehen in der Fernsehdebatte nebeneinander und diskutieren

Viele erwarteten einen Zusammenstoß – stattdessen spielten Sanders und Warren sich die Bälle zu Foto: ap

NEW YORK taz | „Feuert Pantaleo“, hallt es durch den Saal, als am Mittwochabend die vom Fernsehsender CNN ausgestrahlte Debatte der Demokratischen PräsidentschaftskandidatInnen in Detroit eröffnet. Die Zwischenrufe sind eine Aufforderung an den New Yorker Bürgermeister und nebenbei Präsidentschaftskandidaten Bill de Blasio, der sich schwer damit tut, den Polizisten Pantaleo zu entlassen, in dessen Würgegriff vor fünf Jahren der Zigarettenverkäufer Eric Garner starb. Später weisen andere ZwischenruferInnen auf die Praxis von Abschiebungen hin: „Stoppt die Deportationen“, verlangen sie. Unterdessen hauen die DemokratInnen auf der Bühne sich gegenseitig ihre Vergangenheit um die Ohren.

Es ist die zweite Runde im Vorwahlkampf der Demokraten, der weiterhin ein Gedrängel von mehr als 20 KandidatInnen ist. Themen und Ton sind für US-amerikanische Verhältnisse ungewöhnlich sozial engagiert. Nicht nur von Seiten der ZwischenruferInnen. Der „demokratische Sozialist“ Bernie Sanders, der 2016 noch allein gegen die Milliardäre und gegen die Wall Street wetterte, hat jede Menge NachahmerInnen gefunden. Dieses Mal wetteifern sämtliche 20 demokratischen KandidatInnen darum, so weit links wie möglich zu sein. Doch nur zwei haben umfassende Programme vorgelegt: Sanders und Elizabeth Warren.

Der Senator aus Vermont und die Senatorin aus Massachusetts arbeiten in Washington seit Jahren erfolgreich zusammen. Aber nun konkurrieren sie gegeneinander um die Nominierung. In den Umfragen sind sie gleichstark positioniert – direkt hinter Joe Biden, dem Vize-Präsidenten von Barack Obama. Die Umfragen bescheinigen allen dreien, dass sie eine Wahl gegen Donald Trump gewinnen könnten. Doch während Warrens Popularität steigt und die von Sanders stagniert, schrumpft die von Biden seit seinem lust- und ideenlosen ersten Debattenauftritt.

Am Dienstag bringt der Zufall des Losentscheids der Demokratischen Partei Sanders und Warren gemeinsam auf die Bühne in Detroit. Viele haben einen Zusammenstoß erwartet. Stattdessen spielen sich Sanders und Warren die Bälle zu. Begründen die Notwendigkeit einer staatlichen Krankenversicherung für alle, der Abschaffung von Studiengebühren und der Streichung von privaten Universitätsschulden. Und sie schaffen es, respektvoll miteinander umzugehen.

Die beiden sind die Stars des Abends. Alle anderen arbeiten sich an ihnen ab. Nennen ihre Vorschläge „unrealistisch“ und warnen vor zu weitgehenden Schritten. „Ich bin es leid, Demokraten zu hören, die Angst vor großen Ideen haben“, entgegnet Sanders seinen demokratischen KonkurrentInnen. Warren witzelt: „Ich verstehe nicht, warum jemand die Mühe eines Präsidentschaftswahlkampfes auf sich nimmt, wenn er nur sagen will, was Demokraten nicht tun können“. Ihr Bonmot ist ein Höhepunkt des Abends.

Profilierung durch Kritik an Joe Biden

24 Stunden danach, als die zweite Runde der 20 KandidatInnen in Detroit antritt, duellieren sich Joe Biden und Senatorin Kamala Harris auf der Bühne. Sie waren bereits im Juni aneinander geraten. Damals führte die Senatorin ihren Konkurrenten Biden als einen vor, der bei der Abschaffung der Schulsegregation gebremst hat. Biden reagierte langsam und ohne Überzeugung. Dieses Mal begrüßt der 77-Jährige die Konkurrentin Harris mit den Worten „Go easy on me, kid“.

Dieses Mal schafft es keiner der beiden, sich in der Debatte zu profilieren. Stattdessen hauen sie sich gegenseitig ihre politische Vergangenheit um die Ohren, ohne je neue Ideen in die Debatte zu werfen. Stattdessen können sich die kleineren KandidatInnen ihnen gegenüber profilieren.

Der Texaner Julian Castro, ehemaliger Wohnungsbauminister unter Barack Obama, erneuert seinen Vorschlag, die Grenzüberquerungen ohne Dokumente zu entkriminalisieren, um Familientrennungen, wie Trump sie praktiziert, in Zukunft unmöglich zu machen. „Im Gegensatz zu Dir habe ich aus der Vergangenheit gelernt“, sagt er zu Biden. Der ehemalige Bürgermeister von Newark und Senator Cory Booker konfrontiert Biden mit einem anderen Kapitel seiner Vergangenheit: der Strafjustizreform aus den 90er Jahren, die zahlreiche Leute wegen teilweise gewaltsamer Drogendelikten auf Jahre ins Gefängnis gebracht hat.

Dann fährt die 38-jährige Abgeordnete Tulsi Gabbard aus Hawaii scharfe Kritik an Harris' als Staatsanwältin und Justizministerin in Kalifornien auf. „Sie hat über 1.500 Leute wegen Marihuana-Verstößen hinter Gitter gebracht“, sagt Gabbard, „und sie hat entlastendes Material über einen Mann zurückgehalten, der im Todestrakt saß.“

Letzte Chance

Nach den TV-Debatten in Detroit machen die demokratischen KandidatInnen in den nächsten Wochen Sommerpause und Wahlkampf an der Basis. Der Demokratische Vorwahlkampf wird letztlich erst mit dem Nominierungsparteitag im nächsten Sommer zu Ende gehen. Aber nach dieser Woche wird sich das KandidatInnenfeld lichten. Für mehrere kleine KandidatInnen war Detroit die letzte Gelegenheit, sich zu beweisen. Diejenigen, die das nicht geschafft haben, werden nun ihre GeldgeberInnen verlieren.

Auch das Schicksal von Biden ist offen. Noch ist er der Hoffnungsträger des Demokratischen Parteipparates, der ihn für den besten Kandidaten hält, um WählerInnen aus der politischen Mitte zu gewinnen. Doch je häufiger Biden die Antworten auf Kritik an seiner politischen Vergangenheit schuldig bleibt, desto unsicherer wird seine Zukunft.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.