US-Bankenkrise: Staat zahlt, Börse jubelt
Die milliardenschwere Rettungsaktion der US-Regierung für die angeschlagenen Hypothekenfinanzierer Fannie und Freddy wird von Politik und Börse begrüßt.
WASHINGTON taz Eine völlig unamerikanische Revolution ist in Washington im Gange. Seitdem die Roosevelt-Administration zu Zeiten der großen Depression die Notbremse zog, hat die US-Regierung nicht mehr so massiv eingegriffen in das kapitalistische Finanzsystem des Landes wie an diesem Wochenende. Am Sonntag hatte US-Finanzminister Henry Paulson in Absprache mit der US-Notenbank Federal Reserve die staatliche Übernahme der schwer angeschlagenen quasistaatlichen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddy Mac angekündigt. Die Anleger reagierten weltweit schon mal euphorisch auf die dramatische Rettungsaktion. Sie verlangten am Montag vor allem Bankentitel; in Deutschland legte der DAX kräftig zu.
Auch US-Politiker reagierten positiv. Der konservative US-Präsidentschaftskandidat John McCain begrüßte den Schritt, kritisierte jedoch die Bush-Administration für ihre mangelnde Aufsicht. Massive Probleme auf dem amerikanischen Immobilienmarkt traten vor rund einem Jahr eine beispiellose weltweite Finanzkrise los. Grund dafür war, dass in den USA jahrelang Hypothekenkredite massenweise an private Bauherren mit geringer Kreditwürdigkeit, sogenannte Subprime-Kredite, vergeben wurden. Diese Darlehen wurden oft von den Kreditgebern in hochkomplexen Finanzpaketen gebündelt und weiterverkauft - ohne jede Risikoabsicherung.
Auch der demokratische Vizepräsidentschaftskandidat Joe Biden sagte, er begrüße den Plan. Es handele sich jedoch nicht um eine offizielle Umstrukturierung der Institute. Dies würde der nächsten Administration überlassen werden. Die Hypotheken-Giganten Fannie und Freddie stehen mit einem Volumen von rund 5 Billionen Dollar (rund 3,5 Billionen Euro) von New York bis San Francisco hinter etwa jedem zweiten Hauskredit. Weltweit halten Banken Schuldpapiere der beiden Institute.
Der US-Administration unter George W. Bush wurde in den vergangenen Monaten angesichts der dramatischen Hypothekenkrise wiederholt Nichtstun und Ideenlosigkeit vorgeworfen. Nun also rang sich die Regierung zu einer der größten Rettungsaktionen durch, die Experten eine faktische Verstaatlichung nennen. Dennoch lobten US-amerikanische Abgeordnete beider Parteien den Schritt, denn die Stabilisierung der Finanzmärkte habe Toppriorität.
Offen ist noch, wie teuer das staatliche Bank-Engagement für die US-amerikanischen Steuerzahlenden wird. Auch das endgültige Schicksal der beiden Institute mit insgesamt 11.000 Angestellten ist ungeklärt. Zunächst soll der Betrieb wie gewohnt weitergehen. Die Federal Housing Finance Agency übernimmt die Kontrolle, erhält weitreichende Befugnisse und muss nicht länger die Aktionärsinteressen vertreten. Das aktuelle Management wird ausgewechselt, gleichzeitig werden an die bisherigen Inhaber von Aktien und Vorzugsaktien keine Dividenden mehr gezahlt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett