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UNO verhandelt mit dem Irak

■ Perez de Cuellar trifft Außenminister Aziz / Moskau und Paris begrüßen UN-Initiative / PLO: Kuwait soll zum Monaco des Nahen Ostens werden / US-Truppen weiter verstärkt / Katar nimmt Militär auf

Bagdad/Amman/Washington (ap/afp/adn/dpa) - Die diplomatischen Aktivitäten zur friedlichen Beilegung der seit dreieinhalb Wochen andauernden Golfkrise werden fortgesetzt. Am Donnerstag wird wahrscheinlich eine Sondertagung der Arabischen Liga in Kairo stattfinden. Aus dem UNO-Hauptquartier in New York verlautete, daß ebenfalls am Donnerstag UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar in der jordanischen Hauptstadt Amman mit dem irakischen Außenminister Aziz zusammentreffen werde. Die Begegnung findet vor dem Hintergrund einer weiteren Zuspitzung des Golfkonflikts statt. Denn während der UN-Sicherheitsrat sein Plazet für die gewaltsame Durchsetzung des Handelsembargos gegen Irak gegeben hat, will Bagdad die ausländischen Botschaften in Kuwait „aushungern“. Angeblich sollen gestern irakische Soldaten den libanesischen Botschafter in Kuwait sowie zwölf seiner Mitarbeiter festgenommen haben.

USA: Abzug aus Kuwait unabdingbar

Die USA haben anläßlich des Treffens zwischen Perez und Aziz bekräftigt, daß es ohne einen irakischen Abzug aus Kuwait keine Verhandlungen mit Bagdad geben kann. Die Außenminister der Sowjetunion und Frankreichs begrüßten die Initiative des UNO-Generalsekretärs uneingeschränkt. Moskau unterstreicht im Gegensatz zu Washington immer häufiger die Notwendigkeit, die Krise auf diplomatischem statt auf militärischem Wege zu lösen. Ungeachtet der sowjetischen diplomatischen Bemühungen haben irakische Medien gestern die sowjetische Unterstützung der UN-Sanktionen kritisiert. Die Zeitung 'Al-Dschumhurija‘ warf Moskau vor, „ein gehorsamer Vasall der USA“ geworden zu sein. Vorbei seien die Zeiten, „als die Sowjetunion noch ein großes Land mit Führern war, die imstande waren, mit ihren schweren Schuhen auf das UNO-Podium zu trommeln, und die Völker der Erde sich noch auf ihre Versprechungen verlassen konnten“, hieß es unter Anspielung auf einen Zwischenfall mit dem damaligen Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow in der UNO während der Kubakrise. Jetzt sei die UdSSR nur noch ein „Papierbär“, und die Völker der Erde müßten sich auf sich selbst verlassen.

Kuwait als Monaco

des Nahen Ostens?

Inzwischen setzt König Hussein von Jordanien seine am Wochenende begonnene Reise durch mehrere arabische Staaten fort, um einen Beitrag zur Beilegung der Krise zu leisten. Stationen sind Libyen, Algerien, Marokko und Mauretanien. Auch PLO-Chef Arafat ist mit einem neuen Kuwait-Vorschlag an die Öffentlichkeit getreten. Ein politisches System nach dem Vorbild Monacos, so Arafat, wäre für Kuwait denkbar. Ähnlich wie Monaco sollte Kuwait eine konstitutionelle, halbautonome Monarchie werden. Wie aus Bagdad, wo sich Arafat seit dem Wochenende aufhält, verlautete, habe sich der PLO-Chef für die Entsendung einer arabischen Friedenstruppe nach Kuwait ausgesprochen, die dort für einen Zeitraum von sechs Monaten stationiert sein und Wahlen überwachen sollte.

Ägyptens Staatspräsident Hosni Mubarak erklärte am Sonntag, daß es zu einer friedlichen Lösung des Konflikts im Golf keine akzeptable Alternative gebe. Eine militärische Auseinandersetzung in der Region wäre ein schwerer Schlag gegen das Beziehungsgefüge im Nahen Osten. Ausschließen wollte Mubarak eine Militäraktion am Golf jedoch nicht: „Es ist schwer, sich vorzustellen, daß nichts passiert nach all dieser Militärkonzentration.“

Opec

berät weiter

Unterdessen setzten gestern in Wien die Erdölminister von elf Mitgliedsstaaten der Organisation Erdölexportierender Länder (Opec) hinter verschlossenen Türen ihre inoffiziellen Beratungen über eine mögliche Produktionserhöhung fort. Der Irak und Libyen nehmen an dem Treffen nicht teil. Kuwait wird vom seinem Exil-Finanzminister vertreten. Heute wird das informelle Treffen voraussichtlich in eine beschlußfähige Opec-Sondersitzung umgewandelt.

Die britische Premierministerin Thatcher ist sich mit dem US-Präsidenten Bush darin einig, den irakischen Präsidenten Saddam Hussein auch weiterhin mittels Sanktionen zum Rückzug aus Kuwait zu zwingen. Thatcher hatte am Sonntag abend mit Bush telefonisch über die Krisenlage am Golf gesprochen. Der Nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten, Scowcroft, meinte, er halte eine friedliche Lösung durch ein Bagdader Einlenken noch für möglich.

Auch die Stabschefs der Westeuropäischen Union (WEU) sind gestern in Paris zusammengekommen, um über die Golfkrise zu beraten und die militärischen WEU-Aktionen in der Golfregion zu koordinieren. Dazu gehören die Abstimmung der Einsatzkonzepte der in den Nahen Osten entsandten Militäreinheiten sowie die Zusammenarbeit bei der Logistik, der geheimdienstlichen Aufklärung und dem Schutz der Truppen vor feindlichen Angriffen.

Unterdessen hat der Golfstaat Katar seine Militäreinrichtungen für ausländische Truppen geöffnet, die am Aufmarsch gegen den Irak teilnehmen. Welchen Ländern Katar seine Einrichtungen zur Verfügung stellte, wurde aber nicht bekannt. Der seit dem Vietnamkrieg größte US -Truppenaufmarsch - Tag für Tag landen in Saudi-Arabien etwa 50 schwere Transportmaschinen - ist nach Einschätzung der Nachrichtenagentur 'ap‘ „weit davon entfernt, abgeschlossen zu sein“. Mindestens 70 Kriegsschiffe, die meisten aus den USA, befinden sich derzeit in den Golfgewässern. Sie sollen das Handelsembargo gegen Bagdad durchzusetzen und die multinationale Streitmacht in Saudi-Arabien und in anderen Golfstaaten unterstützen. USA-Verteidigungsminister Cheney erklärte in einem Fernsehinterview, daß die Sanktionen zu wirken beginnen und daß jetzt „faktisch keine irakischen Schiffe“ mehr im Golf sind.

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