UN-Bericht zur Lage in Syrien: Auf der Flucht und ausgehungert
Die Zahlen sind erschreckend: Laut UN sind neun Millionen Syrer auf der Flucht vor dem Krieg. Zwei Millionen Kinder sind unterernährt, Hunderttausende leben völlig isoliert.
MÜNCHEN rtr/dpa | Der Bürgerkrieg in Syrien hat nach Einschätzung der Vereinten Nationen die schlimmste Flüchtlingskrise seit dem Völkermord in Ruanda vor 20 Jahren ausgelöst. „Es ist eine kolossale Tragödie“, sagte der UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres am Freitagabend auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
Mindestens 2,4 Millionen Flüchtlinge seien offiziell außerhalb des Bürgerkriegslandes registriert. Noch katastrophaler sei die Lage der 6,5 Millionen Menschen, die innerhalb Syriens vor der Gewalt auf der Flucht seien. 240.000 Menschen lebten isoliert von jeglicher Hilfe in Gebieten, die für die internationale Unterstützung nicht erreichbar seien. Zwei Millionen Kinder litten unter Unterernährung. Guterres sagte: „Ich habe keinen Zweifel, dass der Syrien-Konflikt die schlimmste humanitäre Krise mindestens seit dem Völkermord in Ruanda ist.“
Unter den Staaten in der Region habe der Libanon die meisten Flüchtlinge aufgenommen, sagte Guterres. Er rief die Europäische Union auf, mehr Syrer aufzunehmen. 60 Prozent der syrischen Flüchtlinge in der EU seien bisher in Deutschland und Schweden untergekommen, mahnte er die übrigen Staaten.
„Die Lage in Syrien ist schlimm, und sie wird schlimmer“, sagte UN-Vermittler Lakhdar Brahimi am späten Freitagabend ebenfalls in München. Er sprach von Städten, die zerstört seien wie Berlin am Ende des Zweiten Weltkriegs 1945. Brahimi kam direkt aus Genf nach München, wo die Bürgerkriegsparteien eine Woche lang ergebnislos verhandelt hatten. Der UN-Vermittler zeigte sich tief enttäuscht über den Gesprächsverlauf. „Wir haben nichts erreicht“, sagte er.
Am 10. Februar soll eine zweite Runde der Friedenskonferenz für Syrien beginnen. Seit Beginn des Bürgerkriegs 2011 wurden Schätzungen zufolge mehr als 130.000 Menschen getötet. Allein während der ersten neun Tage der Konferenz seien mindesten 1870 Menschen ums Leben gekommen, teilte die der Opposition nahestehende Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Mehr als 470 Tote seien Zivilisten gewesen. Darunter seien auch 40 Menschen, die in von Regierungstruppen abgeriegelten Gebieten an Hunger oder Krankheiten gestorben seien.
An die internationale Gemeinschaft appellierte Brahimi, nicht wegzuschauen. „Wenn wir nicht die öffentliche Meinung und Regierungen mobilisieren, werden die Dinge schwierig bleiben“, sagte er und warnte vor einem Flächenbrand in der gesamten Region. Der Konflikt weite sich durch das Flüchtlingsproblem und Waffenlieferungen bereits aus. Er könnte zum Problem nicht nur für die Region, sondern auch darüber hinaus werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter