: UN-Bericht rügt Hochkommissar
Vertraulicher Bericht bestätigt Kritik von Flüchtlingshilfeorganisationen / Flüchtlingskommissar Hocke macht sich zum Büttel von Regierungen: „Personifizierung und Zentralisierung der eigenen Autorität“ ■ Aus Genf Andreas Zumach
„Duckmäusertum gegenüber Regierungen“, einen miserablen Arbeits- und Führungsstil sowie eine „Personifizierung und Zentralisierung der eigenen Autorität“ - das sind nur einige Verfehlungen, die dem Hochkommissar für Flüchtlingsfragen, Jean Pierre Hocke, in einem vertraulichen UN-Bericht vorgeworfen werden. Der Bericht, der UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar vorliegt, wurde im Vorfeld der im November anstehenden Wiederwahl Hockes an Journalisten lanciert. Er bestätigt die massive Kritik, die von Flüchtlingshilfeorganisationen wie von Mitarbeitern Hockes seit Monaten geübt wird.
Nach einem Besuch bei der Bundesregierung im Dezember 1987 hatte Hocke zum Beispiel Anfang Januar 138.000 Exemplare der Monatszeitschrift seiner Behörde, 'Refugees‘, wegen kritischer Artikel über die bundesdeutsche Asylpolitik verbrennen lassen - gegen den ausdrücklichen Rat seines persönlichen Sprechers und 'Refugees'-Chefredakteurs. Der durch einen Bericht der taz bekanntgewordene Vorgang trug Hocke den Vorwurf „vorauseilenden Gehorsams“ gegenüber Bonn ein. Sein damaliger Sprecher kündigte ebenso wie jetzt eine weitere Mitarbeiterin des Hochkommissars. Hocke „ignoriert laufend Fähigkeiten, Kompetenz und Erfahrungen“ seiner Mitarbeiter, heißt es in dem UN-Bericht. Flüchtlingshilfe -Organisationen kritisierten immer wieder, Hocke verhandle zu viel mit Regierungen hinter verschlossenen Türen, anstatt wie frühere Hochkommissare öffentlich als Anwalt von Flüchtlingen und Asylbewerbern aufzutreten. Einige Kritiker Hockes weisen allerdings auch darauf hin, daß die Aufgaben des UN-Hochkommissars objektiv schwieriger würden, etwa durch die Verschärfung der Asylbestimmungen in westlichen Ländern und die Bestrebungen, das Territorium der EG gegen Flüchtlinge aus der „Dritten Welt“ weitgehend abzuschotten. Um so schwerer wiege, so die Kritiker aus Flüchtlingshilfe -Organisationen, daß Hocke es versäumt habe, sich Kirchen oder Aktionsgruppen in diesen Ländern zum Bündnispartner zu machen. Die Unfähigkeit Hockes, die Bestimmungen des Genfer Afghanistan-Abkommens umzusetzen, veranlaßte Perez de Cuellar dazu, Hockes Vorgänger Aga Khan mit dieser Aufgabe zu betrauen. Im Rahmen dieses Abkommens sollen rund fünf Millionen Flüchtlinge zurückgeführt werden.
Hocke war vor drei Jahren vor allem mit Unterstützung der drei größten Beitragszahler für die Programme des Hochkommissariats - USA, Japan und der Bundesrepublik gegen skandinavische Mitbewerber gewählt worden. Die Genfer Botschaften der drei Länder verweigerten gestern Stellungnahmen zu dem UN-Bericht ebenso wie der Hochkommissar selbst. Bei weiterer Unterstützung durch diese drei einflußreichen Staaten ist eine Wiederwahl Hockes trotz der massiven Kritik nicht ausgeschlossen.
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