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Archiv-Artikel

UN-BERICHT ZU INVESTITIONEN: ES MANGELT AN GLOBALISIERUNG Kapital ist sehr flüchtig

Die Zeiten, als der neue „World Investment Report“ die Herzen der Globalisierungsfans höher schlagen ließ, sind vorbei. In den vergangenen zwei Jahren schrumpften die ausländischen Direktinvestitionen um mehr als die Hälfte zusammen. Nach einem Jahrzehnt des Angriffs ist die Speerspitze der wirtschaftlichen Internationalisierung stumpf.

Die Idee der „Globalisierung“ (Spiegel) oder des „Empire“ (Hardt und Negri) war von Anfang an ein Trugbild. Nicht die ganze Welt vernetzt sich ökonomisch, sondern nur die USA, Westeuropa und Japan untereinander; zudem expandiert diese Trilaterale nur in wenige ausgewählte Länder. Rund 500 der insgesamt 650 Milliarden US-Dollar an Direktinvestitionen fließen innerhalb der drei Zentren hin und her.

Der karge Rest rinnt nicht etwa in die anderen 180 von der UN-Organisation für Handel und Entwicklung erfassten Staaten – sondern konzentriert sich vor allem auf China sowie in erheblich geringerem Umfang auf Osteuropa, Brasilien und Mexiko. Der Großteil unserer Erde findet in dieser „Globalisierung“ nicht statt, und selbst die Auserwählten werden nicht landesweit vom Kapital erfasst, sondern nur einige lukrative Regionen. So erreicht der Wolfsburger Weltkonzern VW in China als Zielgruppe nur etwa 200 Millionen von 1.300 Millionen Menschen. Aus Sicht des „trilateralen“ Kapitals wird der Kapitalismus jedoch auch exportiert. Was dringend notwendig ist, denn die Märkte in Europa, den USA und Japan sind faktisch satt. Nur noch extensives Wachstum ist möglich. Wir können schließlich nicht noch ein Auto, noch einen Fernseher kaufen oder noch mehr Fastfood in uns reinschlingen.

Daher tun neue Absatzmärkte für die Konzerne dringend Not. Auf das neue Kleinbürgertum im unreal-sozialistischen China haben es die Strategen von Citibank, Microsoft und Siemens dabei besonders abgesehen.

Für die Empfängerländer sind diese Direktinvestitionen zwiespältig. Einerseits benötigen sie dringend ausländisches Geld, um Infrastruktur, Bildung, Gesundheit und Wirtschaft zu modernisieren und so an den vorbeirauschenden Welthandel anzudocken. Anderseits haben die Regierungen so gut wie keinen Einfluss auf das fremde Kapital – denn das ist scheu. Nach der Wende etwa stürzten sich westeuropäische Unternehmen auf die billigen Arbeitskräfte der ungarischen Wirtschaftswunderstadt Szekesfehervar. Inzwischen zieht die Kapitalkarawane weiter gen Osten; Ungarns Billiglöhne sind nicht mehr billig genug. Zurück bleiben die Menschen. HERMANNUS PFEIFFER