: Typisches Heim-Debakel
■ Fußball: Blau-Weiß 90 - Mainz 05 2:3 / Hoss-Schützlinge verspielten gegen den Aufsteiger die mögliche Tabellenführung / 4.247 zahlende Zuschauer sauer
Das war typisch. Kaum hatten sich die Blau-Weißen an der Tabellenspitze etablieren, über Nacht sogar die Zweite Liga anführen können, da ging's mal wieder kräftig in die Hose. Mit einer verdienten 2:3 Niederlage gegen Aufsteiger Mainz 05 stellten sich die Mariendorfer im Berliner Olympiastadion selbst ein Bein. Der schwergewichtige Blau-Weiß-Coach Bernd Hoss, mit ungewohnt vielen roten Flecken im Gesicht, schäumte später zu Recht: „Eine solch desolate Vorstellung wird in dieser Saison hoffentlich einmalig bleiben.“
Dabei lief zunächst alles rund. Schnell stand es 2:0 für die Berliner. In der 17.Minute erzielte Verteidiger Holzer mit schöner Einzelleistung die Führung. Acht Minuten später, nach gelungener Kombination und schöner Flanke von Wilbois, konnte Dinauer aus dem Getümmel erhöhen. Doch dieser Vorsprung gab keine Sicherheit. Immer wieder offenbarten sich große Schwächen im Abwehrbereich.
Hoss: „Ich konnte überhaupt keine Ordnung erkennen. Diese Instabilität müssen wir dringend in den Griff kriegen. Die Mainzer haben uns gezeigt, wo es langgeht.“ Mehrmals verhinderte Torhüter Mager den Anschluß, doch kurz vor der Pause war auch er machtlos. Ein abgefälschter Ball erwischte den Keeper der Berliner auf dem falschen Fuß und trudelte ins lange Eck. Offizieller Torschütze: der Mainzer Guido Schäfer.
Wirkten die Blau-Weißen in der ersten Halbzeit schon schlafwandlerisch, nach der Pause liefen sie umher, als stünden sie unter Drogen. Fast alle Zeikämpfe gingen verloren, ebenso der Respekt der „rotzfrechen Mainzer“ (Hoss). Die legten sich nun offensiv ins Zeug, die Chancen häuften sich. Erste Schrecksekunde: Ein Mainzer wurde im Strafraum gefoult - der Schiedsrichter ließ weiterspielen (57.) Zweite Herzinfarktsituation: Helmut Mähn, Motor im Angriff der Gäste, kam in der 72.Minute zweimal frei zum Schuß - Mager hielt.
Und als die 4.247 zahlenden Zuschauer schon dachten, daß der Sturm und Drang der Mainzer langsam abflachen würde, passierte es doch: Aus 22 Metern (Sonntagsschuß, Tor des Monats) erzielte Michael Schumacher den Ausgleich. Aber damit nicht genug. Kurz vor Schluß, die gedopte Abwehr der Berliner blickte wieder nicht durch, zappelte noch einmal das Netz hinter dem glücklosen Mager. Der eingewechselte Hönnscheidt lupfte aus wenigen Metern zum Endresultat ein. Das lähmende Entsetzen der Blau-Weiß-Fans währte nur kurz. Dann wurde schlußendlich gefordert: „Hoss, Kopf ab!“
Horst Hülß, Trainer der Gäste, konnte sich nach dem Schlußpfiff nur schwerlich unter Kontrolle halten und sprach im Kriegerlatein: „Wir wollten ein Waterloo verhindern. Ich denke, der Sieg geht in Ordnung. Totgesagte leben eben doch etwas länger.“
Mit dieser Niederlage wird sich Blau-Weiß einiges verscherzt haben. Von einem gut besuchten Olympiastadion, das beim nächsten Heimspiel gegen Wattenscheid erwartet wird, war am Samstag abend keine Rede mehr. So ist das mit den Pflichtübungen.
Holger Schacht
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