piwik no script img

Türkische Stadt will den Pergamon-Altar zurück

■ Kampagne für Rückgabe des Prunkstücks des Ostberliner Museums / Mit Briefmarken gegen Kulturimperialismus

Berlin (ap) - Die türkische Stadt Bergama (Pergamon) fordert den Altar zurück, der dem Berliner Pergamonmuseum seinen Namen gegeben hat. Nach einem Bericht der türkischen Tageszeitung 'Günes‘ hat die Stadtverwaltung zusammen mit der türkischen Post eine große Kampagne gestartet. Ende Mai sollen Briefmarken mit dem Bild des Altars und den Aufschriften „Der Pergamon-Altar gehört uns“ und „Gebt uns den Pergamon-Altar zurück“ herauskommen. Alle Briefe, die ins Ausland verschickt werden, sollen einen Stempel tragen, auf dem steht: „Der Pergamon-Altar gehört der Stadt Bergama.“

Im 19. Jahrhundert nach Berlin

Der deutsche Straßenbauingenieur Carl Humann grub den Altar, eines der schönsten und wertvollsten Bauwerke der hellenistischen Zeit, zwischen 1878 und 1886 aus.

Aufgrund des türkischen Antikengesetzes erhielten die Deutschen zunächst nur ein Drittel des Fundes zugesprochen, doch nach langen Verhandlungen überließ der osmanische Sultan Abdülhamit II. ihnen unter politischem Druck und gegen eine geringfügige Zahlung alle Stücke. Der Bürgermeister von Bergama, Sefa Taskin, verfährt nach dem türkischen Sprichwort „Jeder Stein ist schwer an seinem Ort“ und verlangt die sofortige Zurückgabe des Pergamon-Altars. Das Bauwerk sei „Eigentum der Stadt und ein Werk der Kultur und des Bodens von Bergama“. Die Stadt werde ihre Forderungen nicht fallenlassen und sie unter anderem der UNO und der EG vortragen: „Wenn der Pergamon-Altar eines Tages mit Hilfe der ganzen Welt wieder an seinem Standort errichtet wird, wissen wir, wie wir ihn schützen sollen.“

Dagegen wäre der Museumsdirektor von Bergama, Metin Pehlivaner, schon mit einem Abdruck des Frieses zufrieden. Dann könnte man ein verkleinertes Modell des Altars auf einem Platz der Stadt aufbauen und „als Cafe benutzen“. „Touristen könnten dort einen Tee oder Kaffee trinken oder Wasserpfeife rauchen. Alles könnte im türkischen Stil gestaltet sein und besichtigt werden“, wünscht er sich.

Berlin ist sauer

Doch der Leiter des Berliner Pergamonmuseums, Max Kunze, hält solche Kampagnen für gefährlich. Sie würden eher „künstliche Grenzen schaffen“. Außerdem habe der Museumsdirektor von Bergama eine Einladung zu einem Gespräch in Berlin erhalten, doch habe die türkischen Antikenverwaltung dies nicht genehmigt. „Ich finde es schade, daß wir nicht darüber reden können“, sagt Kunze und wirft den türkischen Politikern fehlenden Kooperationswillen vor: „Es müßte eine echte wissenschaftliche Zusammenarbeit geben und keine politischen Kampagnen.“

Thomas Beutelschmidt und Manuel Köppen von der Freien Universität in West-Berlin würden den Altar auch am liebsten an seinem ursprünglichen Standort sehen. Doch nach so langer Zeit sei das politisch wohl „kaum möglich“. Die beiden Wissenschaftler, die sich intensiv mit dem Altar beschäftigen und auch einen Film über ihn gemacht haben, betrachten es als einen Rückschritt, „nationale Ansprüche auf Kulturdenkmäler“ zu stellen: „Der Pergamon-Altar ist ein internationaler Gegenstand, und deshalb muß der wissenschaftliche Austausch garantiert bleiben.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen