: Türkenarbeit auf Video
■ Betriebsreportage: „Arbeiten für Deutschland“, im Klöckner Stahlwerk
„Wir haben unsere Jugend in Deutschland geopfert. Mit dem Geld, das wir hier verdient haben, können wir weder unsere Gesundheit, noch unsere Jugend zurückkaufen!“ Dieses bittere Fazit eines 53jährigen Türken, der jetzt seit 25 Jahren im Bremer Klöckner-Stahlwerk arbeitet, ist im Videofilm gleich nach den Aufnahmen von der Jubiläumsfeier zu sehen. Damals sagte der Personalchef: „Offenbar hat es ihnen (den Türken) bei uns so gut gefallen, daß sie gar nicht mehr wegwollen.“ Magengeschwüre und eine verschlissene Bandscheibe hat sich der Jubilar bei der Knochenarbeit am Hochofen geholt, und „Bandscheibe“ ist auch das einzige deutsche Wort, das er in dem Interview sagt.
Drei Generationen von Türken, die bei Klöckner arbeiten, kommen in dieser 45 Minuten langen Videoproduktion zu Wort. Viele aus der ersten Generation haben nie gelernt, richtig Deutsch zu sprechen: zum Teil, weil sie nie geplant hatten, länger als ein paar Jahre hierzubleiben, sich aber jetzt hier als alte Männer wiederfinden: „Es ist, als hätte ich einmal die Augen zu und wieder auf gemacht, und schon ist alles fast vorbei“, zitiert ein Türke der zweiten Generation seinen Vater. Die ersten Türken wurden damals vom Personaldirektor Fritsche „handverlesen“: er ließ sich unter anderem ihre Handflächen zeigen, um dann diejenigen auszusuchen, die ihm stark und gesund genug schienen, um bei Klöckner die Drecksarbeit zu machen.
Und ihre Söhne machen meist auch jetzt noch die unangenehmsten, schwersten und ungesundesten Arbeiten. „Wer sein Kind an den Hochofen schickt, gibt es her wie ein Opfer“, sagt einer der Betroffenen, und sein noch recht junger Sohn klagt tatsächlich nach einigen Jahren Arbeit bei Klöckner schon über die gleichen Beschwerden wie sein Vater. Von 200 Vorarbeitern sind nur 8 Türken, von 170 Meistern nicht einer. Die dritte Generation macht eine Ausbildung, aber die 20 Prozent türkischen „Azubis“ haben mehr fachliche Schwierigkeiten, denn auch hier gibt es Sprachprobleme, und zwischen dem oft religiösem Elternhaus und den jungen deutschen Kollegen sind sie oft heilos überfordert. „Ich bin in der Türkei genauso Ausländer wie hier“, sagt ein Auszubildender in gutem, aber eben doch nicht ganz natürlich gesprochenem Deutsch, „mein Platz ist hier — wo ich arbeite, ist mein Platz!“
Im Frühjahr 90 wurde das 25. Arbeitsjubiläum der ersten Türken auf Klöckner gefeiert; damals begann die türkische Videogruppe zusammen mit Betriebsrat Eike Hemmer und Ulrich Scholz, an diesem Projekt zu arbeiten. Jetzt haben sie ein professionell gefilmtes und geschnittenes Video fertiggestellt, das sich vor ähnlichen Fernsehfeatures nicht zu verstecken braucht. Der Film ist nie zu pädagogisch und läßt auch einige deutsche Kollegen, Vorgesetzte oder Gewerkschafter zu Worte kommen, darunter nur ein „gemäßigter“, sehr gewunden und vorsichtig argumentierender Ausländerfeind.
Bei der ersten öffentlichen Vorführung in der Werkskantine waren knapp 100 Zuschauer gekommen, für Hemmer schon ein Erfolg, denn „einige von der Frühschicht haben extra eine Stunde gewartet, die Spätschicht muß arbeiten, und den Leuten von der Nachtschicht kann man nicht zumuten, extra hierherauszufahren.“ Aber es werden Kopien des Videos gezogen, die wahrscheinlich bald unter den türkischen Arbeitnehmern zirkulieren werden, sagt Hemmer. Wilfried Hippen
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