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Türkei, Libanon: Aussuchen, wohin

■ Keine Urkundenfälschung, dennoch sollen Libanesen weg

Fatama A. versteht die Welt nicht mehr. Letztes Jahr wurde sie vom Innenressort wegen Urkundenfälschung angezeigt: Ihren libanesischen Namen habe die Kurdin jahrelang zu Unrecht geführt, sie sei in Wahrheit Türkin und heiße Fatma Eke. Aber das Amtsgericht sprach sie frei: Ihre libanesischen Papiere könnten ebenso gut echt sein wie der türkische Reisepass, mit dem sie 1988 nach Deutschland einreiste. Genützt hat der juristische Sieg der Witwe nichts: Knapp ein Jahr später kam die Ausweisung, jetzt droht die Abschiebung.

„Weil Sie einen falschen Namen benutzt haben“, habe man ihr im Amt gesagt, so die Mutter von acht Kindern. Dabei ist für sie alles ganz einfach zu erklären: Wegen des Bürgerkrieges musste sie ihre Kinder 1988 aus Beirut wegbringen. Aber an eine Ausreise über den Flughafen sei damals nicht zu denken gewesen. Also reiste die Familie ins türkische Mardin. Dort erhielten sie ganz legal türkische Pässe auf den Namen Eke, weil die Eltern von Fatama A. von dort stammten, und reisten damit nach Frankfurt. Dort will Fatama A. gleich gesagt haben, dass sie eigentlich Libanesin sei. Aber ihr Asylantrag wurde auf den türkischen Namen aufgenommen. Die Analfabetin vermutet, aufgrund von Übersetzungsproblemen. In Bremen stellte sie einen zweiten – als Libanesin. Inzwischen ist die Doppelidentität aktenkundig und wird der Familie zum Verhängnis: Für das Ausländeramt sind sie Türken und sollen in die Türkei abgeschoben werden – die Mutter, fünf Kinder und drei Enkel. Daran ändert die Tatsache nichts, dass Fatama A. eine Reihe von libanesischen Dokumenten vorlegen kann, unter anderem einen Geburtsregister-Auszug und einen gültigen Pass.

„Im Ausländeramt wurde mir gesagt, ich könne mir ja aussuchen, ob ich in den Libanon oder in die Türkei abgeschoben werde“, berichtet die 56-Jährige. Bei ihren Kindern ist die Sache komplizierter: Bislang ist unklar, ob sie ebenfalls Libanesen sind. Aber für Fatama A. ist das auch egal: „Wir stehen hier wie dort vor dem Nichts. Was sollen wir nach 13 Jahren in Deutschland tun?“ Bitter fügt sie hinzu: „Vielleicht kann uns das Ausländeramt ja ein Zelt mitgeben, das schlagen wir dann neben den Palästinenserlagern auf.“ Zusätzliche Sorge macht der zierlichen, blassen Frau das Wiederaufflammen des Nahostkonfliktes. In Bremen sieht sie sich als Opfer einer Kampagne: „Da wird viel zu viel verallgemeinert.“ Sie selbst ist überzeugt: „Ich habe doch nie jemanden angelogen.“ Von ihren Kindern, die bei der Einreise zwischen acht und fünfzehn Jahre alt waren, ganz zu schweigen. Drei von ihnen sind inzwischen mit Deutschen verheiratet und dürften hier bleiben. „Aber was wir machen, wenn es zur Abschiebung kommt, wissen wir nicht“, sagt einer von ihnen. Den anderen bleibt nur die Hoffnung auf ein laufendes Widerspruchsverfahren. Über eine aufschiebende Wirkung muss das Verwaltungsgericht entscheiden. Das wartet aber derzeit auf eine Stellungnahme von Parlamentariern aus Niedersachsen, die in Mardin erkundet haben, ob die Abschiebung in die Region grundsätzlich zumutbar ist. „Solange schieben wir nicht ab“, heißt es aus dem Innenressort. jank

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