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■ GELD IST DIE ESSENZ DES US-WAHLKAMPFSTsongas "ohne Muttermilch"

Tsongas „ohne Muttermilch“

Washington (taz) — „Geld ist die Muttermilch der Politik und unsere Mutter ist einfach zu spät aufgetaucht“. Mit diesen Worten zog sich in der vergangenen Woche Paul Tsongas aus dem Rennen der Demokraten um die Kür ihres Präsidentschaftskandidaten zurück. Der Ex- Senator, der noch die besten Chancen gehabt hätte, den Favoriten Bill Clinton zu stoppen, faßte damit in knappen Worten die Essenz des amerikanischen Wahlkampfs zusammen: Ohne Geld geht hier gar nichts. Ohne Geld gibt es keine Wahlkampfspots im Fernsehen und auch keine Berater, die nach präzisem Studium der Meinungsumfragen die aktuell angesagte Linie vorgeben.

Tsongas jedenfalls ist pleite und wäre um mindestens eine weitere Million in die Miesen gerutscht, hätte er versucht, bei den noch ausstehenden 21 Vorwahlen konkurrenzfähig zu bleiben. Als erster der Demokraten hatte er im vergangenen Jahr seine Bewerbung angemeldet. Damals traute sich kein anderer, weil die Amerikaner Bush nach seinem Kriegszug gegen Saddam Hussein noch zu Füßen lagen.

Die Spenden flossen allerdings für den von Medien und Partei verlachten Kandidaten zunächst nur spärlich. Vollkommen „verarmt“ sei seine Kampagne zu Jahresbeginn noch gewesen. Nach einem überraschenden Sieg in New Hampshire füllte sich zwar kurzfristig die Wahlkampfkasse. Da die Spendenbereitschaft der Amerikaner aber in direkt proportionalem Verhältnis zu den Siegchancen des Begünstigten steht, war ein baldiges Ende des Geldsegens nach Tsongas' enttäuschendem Abschneiden bei den Vorwahlen in den ersten zwei Märzwochen abzusehen.

Persönlich wird Tsongas für seine Schulden nicht haften müssen. Mehr als 50.000 Dollar darf er gar nicht aus eigener Tasche in seinen Wahlkampf investieren, wenn er — wie mittlerweile alle Präsidentschaftskandidaten — Unterstützung aus Steuergeldern beantragt hat. Wenn er Glück hat, hilft ihm jetzt die eigene Partei oder — unter bestimmten Bedingungen — sogar die Staatskasse aus der Patsche. Er könnte natürlich auch alte Gönner um Hilfe angehen. Leider kann Spender X Herrn Tsongas aber nur einmal mit maximal 1.000 Dollar unter die Arme greifen, weil Herr Tsongas für seinen Wahlkampf öffentliche Gelder erhält. Kluge Campaign-Manager wissen da einen Ausweg: Die Debt-Retirement- oder Schulden-Rücktritts-Party. Tsongas würde sich dabei mit Tom Harkin und Bob Kerrey zusammentun, die bereits vor ihm das Handtuch geworfen haben, und den Erlös der Veranstaltung, bei der Spender X jetzt Schecks für Harkin und Kerrey sowie deren Gönner für Tsongas ausstellen dürften, brüderlich teilen.

Tsongas, der sich auf seiner Abschiedspressekonferenz noch weigerte, Zukunftspläne preiszugeben, könnte aber auch allein wegen seiner Schulden in den nächstbesten Wahlkampf eintreten. So nutzte beispielsweise Gary Hart den Wahlkampf 1988, um seine von 1984 übriggebliebenen Schulden teilweise zu begleichen. Am Ende hat ihm das allerdings nicht viel geholfen. Nachdem er wegen der Affäre mit dem Modell Donna Rice ausscheiden mußte, stand er vor einem neuen Schuldenberg in Millionenhöhe. Martina Sprengel

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