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„Truppen kamen aus dem Mao-Mausoleum“

■ Telefonbericht aus Peking, Sonntag morgen 4 Uhr

Hier in der Zhangan-Allee schießen die Soldaten blind um sich. Wir können die Wohnung nicht verlassen (Am Telefon sind Schüsse zu hören). Aber die Truppen haben noch drei Stunden gebraucht, um zum Platz vorzudringen. Hinzu kamen Truppen aus dem Mao-Mausoleum und aus der Halle des Volkes gestürmt und schossen auf die Menschen. Zur gleichen Zeit haben auch die Truppen vom Dach der Halle mit Maschinengewehren geschossen. Die Truppen gehören zur Eliteeinheit des Staatspräsidenten und sollen, so wird erzählt, aus der inneren Mongolei kommen. Viele verstehen deswegen auch nicht viel. Die Studenten auf dem Platz gerieten in Panik und flüchteten in alle Himmelsrichtungen und wurden in den Rücken geschossen. Diejenigen, die auf dem Platz verblieben, wurden gezwungen sich hinzulegen. Diejenigen die den Verletzten helfen wollten, wurden auch noch niedergeschossen. Nach dem ersten Sturm hat die Armeeführung mit Lautsprechern verkündet, 1.500 Kriminelle erschossen zu haben.

In den Nebenstraßen haben sich die Geflüchteten erneut formiert, sind gekommen und bildeten um die Freiheitsstatue eine Menschenkette und haben gesungen - die sind auch niedergeschossen worden.

Wir telefonierten mit einem der letzten, die ihre Haut retten konnten. Um ihn herum hätten nur noch Tote gelegen. Nach drei Stunden gingen doch wieder sehr viele zehntausende auf die Straße und verbrannten alleinstehende Militärfahrzeuge und mußten sich dann erneut vor den Soldaten flüchten. Die Eltern gingen ins Krankenhaus in der Nähe: in dem einen lagen 30 in dem anderen über 80 Tote.

(Telefonat mit dem unabhängigen Studentenverband an der Universität Baida.) In diesem Moment brechen die Soldaten gerade mit Panzern die Menschenbarrikaden, die sich vor dem Tor der Universität versammelt haben. Viele Menschen werden von Panzern überrollt. Entweder sind wir alle gleich tot oder wir werden in den Untergrund gehen.

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