Trubel um Medikament Daraprim: 750 Dollar pro Tablette
Martin Shkreli kauft die Rechte an einem Antibiotikum und erhöht dessen Preis um 5.500 Prozent. Die Politik gibt sich machtlos.
Die gesundheitspolitische Vorstellung, die Martin Shkreli diese Woche bot, war eine Steilvorlage für alle Pharmahasser. „Obszön“, „ekelhaft“, „gierig“ – das waren die Kommentare im Netz, als bekannt wurde: Der ehemalige US-Hedgefondsmanager und heutige Pharma-Start-up-Unternehmer Shkreli, 32, hat in den USA die Rechte an dem Medikament Daraprim erworben und dessen Preis über Nacht um 5.500 – in Worten: fünftausendfünfhundert – Prozent angehoben: von 13,50 Dollar auf 750 Dollar. Pro Tablette.
Daraprim ist ein Antibiotikum gegen Toxoplasmose, eine Infektionserkrankung, an der Krebs- und Aids-Patienten häufig leiden. Ein skrupelloser Jungunternehmer, der sich an Schwerkranken bereichert? Wer die Zornestiraden überwindet, kann sich fragen: Sind wir wirklich ohnmächtig? Daraprim ist seit 1953 auf dem Markt. Der Patentschutz ist abgelaufen. Warum existiert kein billiges Nachahmerpräparat, notfalls entwickelt von den öffentlichen Gesundheitssystemen?
Und: Pharmapreise fallen nicht vom Himmel. Die Politik hat Steuerungs- und Regulierungsmöglichkeiten. In Deutschland etwa existieren – sicherlich verbesserungsfähige – vorgeschriebene Preisverhandlungen zwischen Kassen und Herstellern. Auch Zwangsrabatte haben sich bewährt. Die EU-Gesundheitsminister diskutierten unlängst einen europäischen Einheitspreis für das ebenfalls sehr teure Medikament Sovaldi gegen Hepatitis C. Dass sie sich nicht einigten, ist nicht die Schuld der Industrie.
In Deutschland sind die Ausgaben für Arzneimittel 2014 um 10,3 Prozent auf 35,4 Milliarden Euro gestiegen, ein Rekord. Wir werden nicht umhin kommen zu diskutieren, welchen Preis zu bezahlen wir für unsere Gesundheit bereit sind.
Willkürliche Wahlen, Bomben in den kurdischen Gebieten, Präsident Erdogan, der um die Macht kämpft. Wohin führt der Weg der Türkei? Rückt sie näher an den Nahen Osten? Was geschieht mit den Kurden? Fragen, die sechs Kulturschaffende aus der Türkei in der taz.am Wochenende vom 26./27. September diskutieren – bei einer Flasche Schnaps. Außerdem: Das Massaker an den Studenten in Mexiko jährt sich am 26. September. Und: Allergien, die Plagegeister der modernen Industrienation. Warum das so ist und was wir über sie wissen. Das alles – am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.
Seit Jahren fordern Gesundheitsökonomen, Juristen und Mediziner Kosten-Nutzen-Bewertungen von Medikamenten, um die Preisspirale einzudämmen – erfolglos. Denn politisch gilt es als pfui, kranken Menschen zu sagen, was ehrlich wäre: Wir kaufen der Industrie ihre Medikamente nur dann ab, wenn ihre Kosten im Verhältnis zu ihrem Nutzen gerechtfertigt sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?