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Trotz Pampers die Hosen voll

Ein bitterer Abend für die Bundesliga: Bayer Leverkusen spielt in München mal wieder „kontrollierten Käse“ und verliert gegen die Bayern 1:4 ■ Aus München Thomas Becker

Sie nennen ihn Katsche. Wie den Kicker aus den 70er-Jahren, als der Manndecker noch Vorstopper hieß. Katsche Schwarzenbeck war der Mann fürs Grobe, der seinem Kaiser Franz die unangenehmen Aufgaben abnahm. Schwarzenbeck spielt schon lange nicht mehr, Katsche ist noch da. Nach jedem Bayern-Spiel wuselt der Radioreporter mit dem bayernblauen Mikro des Bayerischen Rundfunks von Spieler zu Spieler, von Trainer zu Trainer und stellt Fragen.

Manchmal sind es sogar unangenehme Fragen. 1:4 hatte ein von der Spielanlage her klar besseres Bayer-Team gegen ein pomadiges Bayern-Team verloren. „Spielten die Nerven nicht mit? Hatten die Leverkusener mal wieder die Hosen voll?“ Gut so, Katsche, nur ran an den Daum! Dem Bayer-Trainer war nach der ärgerlichen, weil unverdienten Klatsche die gute Laune längst abhanden gekommen, nun löste er die Bremse: „Ich muss nicht auf jeden Scheiß antworten“, blaffte er, „das ist doch populistischer Scheiß. Sie haben ja überhaupt keine Ahnung und berichten über Dinge, von denen sie nichts wissen – wie der Uli Hoeneß.“

Das musste einfach raus. Zwar gab Christoph Daum in dem vor dem Spitzenspiel schon üblichen Schmierenstück der gegenseitigen Anfeindungen diesmal den distanzierten Souverän („Auf diese Sticheleien habe ich mich schon gefreut. Der kann ja gar nicht mehr anders.“), musste nach dem Spiel dann aber doch zurücksticheln: „Ich werde wiederkommen, und ich werde es wieder versuchen, auch wenn das einigen nicht recht ist.“ Wie Ivan Lendl nach der 17. Erstrunden-Niederlage in Wimbledon kam einem der trotzige Bayer-Coach vor. „Der gewinnt nie hier“, hatte Bayern Manager Uli Hoeneß vorher prophezeit, „da bin ich ganz sicher.“ Und auch noch Recht behalten.

Ein bitterer Abend für Christoph Daum. Und für die Bundesliga. Wenn schon nicht Leverkusen, zuvor in elf Spielen ungeschlagen, die auswärtsstärkste Mannschaft der Liga, bei der fast jeder mit dem Ball umgehen kann wie bei den Bayern nur Elber und Sergio, wer sonst soll im Olympiastadion gewinnen? Nur eins der letzten 31 Heimspiele hat die Hitzfeld-Truppe verloren. Und oft hatte der Gegner kräftig mitgeholfen.

Bayer mochte da keine Ausnahme machen. Nach 106 Sekunden schob Torben Hoffmann nach harmloser Elber-Flanke den Ball in bewunderswert entspannter Arbeitshaltung nicht ins Toraus, sondern mittenrein ins eigene Tor – sein dritter Bundesligatreffer. „Das Eigentor ist uns sehr entgegen gekommen“, analysierte Lothar Matthäus messerscharf. „Ein beschissenes Ding“, fasste Kunstschütze Hoffmann bündig zusammen. Kollege Kovac legte den Gastgebern noch zwei Konter auf, und so stand es kurz nach der Pause 3:0 für die Dusel-Bayern. Die Südkurve höhnte „Vize-, Vize-Meister-Daum“.

Auf den anderen Rängen war nicht viel los. Nur 31.000 Zuschauer wollten nach fast zwei Monaten Abstinenz ihren FC Bayern sehen. Der Zuschauerschnitt beträgt 53.000. Das Spitzenspiel der Liga, der Erste gegen den punktgleichen Zweiten, und das vor nicht mal halbvollen Rängen: „Es ist halt Leverkusen und nicht Real Madrid“, meinte der ehrliche Jens Jeremies, „da kann man nicht mehr erwarten.“

Die Erwartungshaltung ist ein Problem für jeden Spitzenklub. Je mehr man sich vornimmt, desto größer der Frust, wenn’s nicht klappt, logisch. Bayer-Manager Reiner Calmund ließ sich aber die chronisch gute Laune nicht verderben. Er wusste schon vorher, dass seine Jungs „hier immer mit Pampers spielen“. Kaum Enttäuschung also, dass es mal wieder in die Hose ging, so wie seit 1989 mit schöner Regelmäßigkeit. „7:0 Ekken, 60 bis 70 Prozent Feldanteil, aber hinten gepennt, schön heia gemacht. Das war doch kontrollierter Käse.“

Eine Frohnatur wie Calmund ist Christoph Daum beileibe nicht. Und richtig ärgerlich wird er, spricht man ihn nach einer 1:4-Niederlage beim FC Bayern etwas hämisch auf die psychologische Führung seiner Mannschaft an. Als „Firlefanz“ hatte Lieblingsfeind Hoeneß die Einstellung des Psychologen Höller abgetan. Der hatte in einem Radiointerview eine wenig sensible Diktion offenbart und über den „Weißwurstkönig“ (Hoeneß) und den „blöden, arroganten Millionärsklub“ hergezogen. So viel zum Thema „populistischer Scheiß“.

Und noch mal danke, Katsche.

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