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Trotz Bangemann: DM–Aufwertung kommt

■ Neue Wechselkurse im Europäischen Festkurssystem EWS stehen an

Von Ulli Kulke

Gegen eine eindeutige Spekulations–Tendenz anzugehen ist schwer. Die bundesdeutschen Politiker versuchen es trotzdem. Bundeswirtschaftsminister Bangemann spielte am Mittwoch gar seinen Spezial–Trumpf aus, indem er sich vollends dumm stellte: Er sieht „keinen Anlaß für eine Änderung der Wechselkurse im Europäischen Währungssystem“. Dabei wäre das dieser Tage herumgeisternde Gerücht über eine Abwertung des Franc und Aufwertung der DM bereits Anlaß genug dazu, übt es doch gehörigen Druck auf die französische Währung aus. Im Hintergrund stehen jedoch keine Gerüchte–Ränkespiele, sondern harte ökonomische Fakten. Die Umbewertung wird also kommen wie das Amen in der Kirche, die Frage ist nur, wann und wie. Für die französische Regierung ist alles eine Frage der eigenen Glaubwürdigkeit und des Nationalprestiges - der Wert einer Währung sagt nach ihrer Logik immer auch etwas über den Wert „ihrer“ Regierung aus. Die letzte Franc–Abwertung im April 1986 konnte die konservative Regierung noch auf die gerade abgelöste sozialistische Vorgängerin schieben. Dies dürfte jetzt schwerer fallen. An den unterschiedlichen wirtschaftlichen Daten in der Bundesrepublik und Frankreich hat sich nämlich nichts geändert. Der negativen Inflationsrate in der BRD 1986 steht zuvorderst eine französische Geldentwertung von über 2 den, muß der Währungsaußenwert von Zeit zu Zeit dieser unterschiedlichen Kaufkraftentwicklung angepasst werden. Entscheidender für die Entwicklung des Wechselkurses ist jedoch immer der Außenhandel des jeweiligen Landes, die Nahtstelle, an dem die Währungen aufeinanderfallen. Nach einem Handelsbilanzdefizit von rund acht Milliarden DM 1985 konnte Frankreich dank der billigeren Ölimporte im vergangenen Jahr zwar in etwa ausgleichen. Gleichzeitig setzte sich jedoch die Bundesrepublik an die erste Stelle aller Exportnationen. Allein in den ersten zehn Monaten 1986 erreichte die BRD einen Außenhandelsüberschuß von 90 Milliarden DM. Und wer als ausländischer Importeur in der BRD einkaufen will, muß sich an den Devisenbörsen DM besorgen, erhöht mithin die Nachfrage nach DM. Außenhandelsdefiziten begegnet man u.a. mit Währungsabwertungen, die eigenen Waren werden im Ausland billiger. Das Handelsgleichgewicht in Frankreich und der horrende Überschuß der BRD bestätigt allerdings den französischen Finanzminister Balladur, der vorgestern meinte, der Franc sei schon in Ordnung, nur die DM sei unterbewertet, müsse aufgewertet werden. Dies wäre in der Tat für die französische Regierung die eleganteste Lösung: Die DM wird aufgewertet gegenüber allen anderen Währungen, um das Mißverhältnis zum Franc auszugleichen. Chirac und Balladur bräuchten gegenüber der eigenen Bevölkerung keinen Prestigeverlust hinzunehmen. Dies wäre dagegen dann der Fall, wenn „ihr“ Franc gegenüber allen anderen Währungen abgewertet würde, um das richtige Verhältnis zur DM herzustellen. Letztenendes dürfte man sich in der Mitte treffen, denn die BRD–Regierung will nicht durch DM–Aufwertungen die Exportchancen der bundesdeutschen Industrie und Landwirtschaft mindern, schon gar nicht vor der Wahl. Die jeweiligen Zentralbanken der Länder versuchen bisweilen, mit dem eigenen Zinsniveau am Wechselkurs zu drehen. Neben den Devisenströmen, die entsprechend der Außenhandelsströme wandern, gibt es nämlich noch eine zweite Spezies: Die spekulativen Devisenverschiebungen. Und mit einem im Vergleich zum Ausland hohen Zinsniveau lockt man Anlagegelder an, die in die jeweilige Landeswährung umgetauscht werden. Auch hierdurch werden die Nachfrageströme nach dieser Währung gesteuert - und dadurch die Währungskurse. Trotz Handelsbilanzdefizit und höheren Inflationsraten haben es z.B. die US–Währungsbehörden auf diese Weise geschafft, bis 1985 den Dollar auf einem absurd hohen Niveau zu halten. Dieses Spielchen ist den Franzosen nicht gelungen, obwohl das Niveau des Leitzinses in Frankreich mehr als doppelt so hoch ist wie der bundesdeutsche Diskontsatz (3,5 scharfem US–amerikanischen Beschuß lag, doch bitte die Zinsen zu senken, um die Weltkonjunktur anzukurbeln, zog man in Frank reich sogar noch an: am 16. Dezember von sieben auf 7,25 dieses Vertrauens–Spielchen bedarf es schon der ökonomischen Wucht und Stärke einer US–Ökonomie. Aber auch die zinsabhängigen spekulativen Geldströme sind nichts gegen die Ströme, die bei Gerüchten über Auf– bzw. Abwertungen entstehen. Kein Geldbesitzer will bei einem solchen Schnitt verlieren. Zuletzt werden daher die Währungsbehörden regelmäßig durch diesen Spekulationsdruck zum Handeln gezwungen. Auch Bangemann wird sich also eines Lernerfolges erfreuen können - spätestens nach der Bundestagswahl.

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