: Tropfen auf dem neuen Backstein
■ Große Hoffnungen, gleiche Quadratmeter: Die Harburger Bücherhalle hat ein neues Domizil
Der HÖB-typische Schriftzug „Bücherhalle Harburg“war bei der gestrigen Eröffnungsfeier in den neuen Räumen noch nicht zu lesen. Die Sponsoren hatten sich hingegen bereits per Wandtafel verewigt. Bis zur letzten Sekunde hatten sechs Baufirmen an den Räumlichkeiten im Harburg Quarré gearbeitet, in die die Bücherhalle vom Harburger Rathausmarkt umgezogen ist.
Nicht nur wegen der Namensähnlichkeit erinnert der Backstein-Stahlbau an eine etwas klotzigere Nachahmung des Wandsbeker Quarré, und über die architektonische Gelungenheit einer einstöckigen Bibliothek ließe sich wegen der längeren Wege sicherlich streiten. Auch die zur Verfügung stehende Fläche ist mit 1200 Quadratmetern nicht größer als im alten Gebäude. Maßgeblicher Grund für den Umzug sind denn auch die niedrigen Mietpreise, die innerhalb der nächsten 15 Jahre Einsparungen von zwei Millionen Mark bringen sollen – ohne Personalabbau oder Verringerung des Medienbestandes.
Strukturkonzept 2000-X heißt das Programm, das hier behutsames Sparen ermöglichen soll – das aber auch schon wegen der Schließung elf kleinerer Bücherhallen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten ist. „Es kann nicht die Lösung sein, zwar überall etwas anzubieten, dafür aber die Programme kaputtzusparen“, rechtfertigte Kultursenatorin Christina Weiss in ihrer Eröffnungsrede noch einmal die Umstrukturierung. Beistand leistete ihr die Direktorin der HÖB (Hamburger Öffentliche Bücherhallen) Hella Schwemer-Martienßen, die allerdings auch die Verlierer des Sparzwangs klar benannte: Jüngere, von transportwilligen Eltern abhängige Kinder. „Einen Tropfen auf den heißen Stein“, nannte sie dagegen Schulausleihe und die Harburger Autobücherei, die in den nächsten Monaten durch einen zweiten Bus aufgestockt wird.
Große Hoffnungen knüpfen alle Beteiligten an die neue Lage der Bücherhalle, die der Leiter der Bücherhalle Harburg Peter Hansen gar als „wahrgewordenen Traum“bezeichnete: In den neuerbauten Wohn- und Geschäftskomplex sind in unmittelbarer Nachbarschaft auch die Volkshochschule, die „Harburger Alternativen“, der „Treffpunkt Älterwerden“und die „Leben mit Behinderung Hamburg GmbH“eingezogen. Aber mit den zahlreichen Geschäften, die die Bauherren Büll & Liedtke sowie Hanseatica zur Belebung des riesigen Komplexes dringend ansiedeln wollen, kann noch nicht fest gerechnet werden. Zur Zeit steht noch über die Hälfte der für den Einzelhandel vorgesehenen Fläche leer. Die Verbindung von Kultur und Konsum liegt dennoch im Trend: Noch im März sollen die Bücherhallen Altona und Winterhude an neuen Standorten wiedereröffnet werden, im Mercado und am Winterhuder Marktplatz – also in Einkaufszentren, die sich bereits etabliert haben. SabineClaus
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