: Trilogie des Fremden
■ Völkerkunde-Museum: „Podai“-Malerei und nackte Stuttgarter komplettieren eine Ausstellung zur Ethnokunst
„Dies ist Frauensache. Wir sehen es, fragen aber nie danach“, sagt Akoi Beavogui, der Sekretär des Dorfes an der Grenze des bergigen Waldlandes im westafrikanischen Guinea-Conakry. Jetzt muß man fragen, denn die hier angesprochenen Podai-Muster sind erstmals in Europa im Hamburger Museum für Völkerkunde öffentlich zu sehen. Der Afrikareisende Karl-Heinz Krieg hat den Frauen der Loma Spanplatten besorgt, auf die sie ihre traditionelle Körper- und Hausmalerei übertrugen. So sammelte er seit 1987 fast 1800 Bilder, abstrakte Muster in Schwarz, Weiß, Ocker und Rost. Dabei benutzten die Loma nun Binderfarbe statt Ruß und Erden mit Öl des heiligen Podai-Baumes.
Und schon ist man im Zentrum der Diskussion über Ethnologie, Kunst und Macht. Denn ist solch ein verändernder Eingriff in traditionelle Strukturen zulässig? Wo endet Vermittlung, wo beginnt Ausbeutung? Wird gar bloß eine neue mythische Quelle der Dritten Welt für den europäischen Kunstmarkt erschlossen? Um einer allzu eurozentrischen und nur oberflächlich ästhetisierenden Rezeption vorzubeugen, geben Völkerkunde-Museen in ihrem neuen Verständnis als Spezialisten für Fremdes die notwendigen Hintergrundinformationen und machen neugierig auf die Menschen hinter den Artefakten. Das Feldlager wird zur Museumsecke mit Stoffen und Musik zum Lob der Frau: In einer „nur Frauen“ zugänglichen Abteilung, wird die geschlechtsspezifische Initiation dargestellt, deren Teil die Podai-Malerei ursprünglich war. Alltagsgegenstände und exotische Pflanzensamen zeigen den realen Ursprung dieser abstrakten Bilder. Den Besuchern bleibt es selbst überlassen, ob sie sich der ungewohnten Schönheit dieser Malerei oder deren Sinn und ethnologischer Einordnung widmen.
Die Podai-Ausstellung ist zusammen mit Bildern und Objekten der Aborigines aus Australien Teil der aktuellen Ausstellungstrilogie im Völkerkundemuseum zur Diskussion um den Begriff „Ethnokunst“. Die das ganze rechte Erdgeschoß verändernde Ausstellungsarchitektur beginnt mit einem „Kunstdschungel“, mit dem das traditionelle Bild von Völkerkunde verschoben wird. Projektionen auf den Körper einer Schaufensterpuppe folgt als Leihgabe aus der Kunsthalle eine große Kreuzabnahme-Szene in Öl, eine Darstellung bekannter und dennoch befremdlicher abendländischer Mythologie. Dann folgen Zitate zum Kunstverständnis. Vorbei an einer einsamen, nackten Glühbirne in schwarzer Abseite, ironisches Objektzitat zu Ängsten und Chancen der Kunst im 20. Jahrhundert (Dada, Guernica), kommt man zu einer fünfeckigen, farbenfrohen Plaza, von der aus der Weg entweder nach Afrika oder nach Australien führt. Ab Freitag gelangt man von dort auch zurück zum eigenen Umgang mit fremden Versatzstücken: rechter Hand wird dann Der Stamm der weißen Krieger gezeigt, eine Fotoserie von Ralf Schmerberg. Es sind Bilder nackter Einheimischer aus Stuttgart, die mit Masken aus Afrika, Asien, Amerika und Ozeanien posieren.
Hajo Schiff
Museum für Völkerkunde, Rothenbaumchaussee 64, bis 14. Mai, Eröffnungsfest der kompletten Trilogie morgen, 9. 2., 19 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen