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Archiv-Artikel

Trauer mit Currywurst

Das alte Westberlin stirbt, das neue Berlin lebt. Bei der Trauerfeier von Günter Pfitzmann verbreitete sich neben Ergriffenheit auch ein Optimismus. Wo etwas zu Ende geht, ist Raum für was Neues

von WALTRAUD SCHWAB

„So einen wie ihn gibt es nicht mehr.“ Die Frau, die das auf dem Platz vor der Gedächtniskirche über Günter Pfitzmann sagt, sagt es für alle. Ergriffen ist sie, tupft sich eine Träne aus dem Auge und tröstet sich selbst: „Na ja, so ist das eben.“ Ihr pragmatischer Umgang mit der Realität passt zur lebensbejahenden Stimmung auf dem Platz mit Sonne, blauem Himmel, Vogelgezwitscher und den Berlinern und Berlinerinnen in bunten Kleidern, karierten Hemden, dünnriemigen Sandalen. „Berlin ist so eine schöne Stadt. Pfitze hat es gewusst. Dafür hab ich ihn geliebt“, sagt die Frau.

Ergriffenheit vom Tod und von der Stadt ist das eine, das den vielleicht 500 Zaungästen der Trauerfeier vor der Kirche nachgesagt werden kann. Das andere: Ihr praktischer Sinn für die Wirklichkeit, die ständig neu erfunden werden muss. Solange noch keine schwere Musik in c-Moll und keine getragenen Worte über die Lautsprecher kommen, stellen sich die Leute am Rand des schwarzen Teppichs auf, über den die Berühmtheiten in die Kirche ziehen. „Haste schon wen jesehen?“, fragt eine Frau den neben ihr stehenden Mann. Selbst ist sie zu klein, um über die Köpfe vor ihr zu blicken. „Der Dieter Thomas Heck, der Momper, Diepgen, Frank Zander, Cornelia Froboess, der Mann von der Knef.“ Die Namen der Westberliner VIPs, die vorbeidefilieren, werden der kleinen Frau von allen Umstehenden zugeworfen. „Brigitte Mira auch“, sagt ein Mann. „Och, die ist ja so klapprig gebaut. 93 Jahre. Ich glaub, das ist die nächste“, kommentiert ein Zaungast. In schweren Momenten zeigen die Berliner eben wahre Größe und Großzügigkeit. Andere nennen es „Schnauze mit Herz“.

Als die Übertragung der Trauerfeier beginnt, wenden sich die Leute vom schwarzen Teppich ab und der rotstichigen Leinwand zu. „Ich freu mich auf dich“ steht groß auf einem Touristenbus, der einen Zwischenstopp am Platz eingelegt hat.

Über Lautsprecher sind die Abschiedsworte der Pfarrerin Sylvia von Kekulé zu hören. „Wir wollen seinen Humor nicht vergessen“, mahnt sie. Sie mag es als Trost gemeint haben für die Leute, die schwer an Pfitzmanns Tod tragen. Draußen auf dem Platz aber wirkt der Satz wie ein Motto. Gut, die Leute stehen aufmerksam vor der Leinwand, aber sie rauchen auch und essen nebenbei Currywurst mit Ketchup. „Hören Sie mal, ich hab so’n Hunger, mir wird sonst schwindlig“, sagt eine Genießerin. Schließlich wurden die Imbiss- und Souvenirbuden, die sich entlang der Kirche drängen, auch nicht aus Pietät geschlossen. „Pfitze hat Berlin und det Leben ja ooch bejaht“, sagt ein Elektroinstallateur, der seine Arbeit für eine Stunde unterbrochen hat, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.

„Wir sind die Letzten“, sagt ein anderer Zaungast. Auch er Westberliner. „Charlottenburger in dritter Generation.“ Innerhalb von zwei Jahren sind ihm die Idole weggestorben: Grunert, Buchholz, Knef, Pfitze. Aber Berlin geht nicht unter, auch wenn der Westberliner es noch nicht weiß. „Wenn man zu einer Beerdigung geht, ist das ein Bonus auf dem Gnadenkonto“, sagt ein Spandauer palästinensischer Herkunft. Auch er ist gekommen, um dem Schauspieler seine Verehrung zu zeigen. „Täglich danke ich Allah, dass ich hier leben darf.“