: Tradition und Moderne
betr.: „Wer bestimmt, was gestern war?“ von Ronald Berg, taz vom 3. 4. 07
Die Denkmalpflege sollte die Grundgedanken Dehios weiterentwickeln und nicht streng dogmatisch vertreten. Dehio ist 1932 gestorben und hat den beispiellosen Zivilisationsbruch durch die Nationalsozialisten (und ihren Hass auf die so genannten zivilbürgerlichen Werte und Regeln) nicht mehr erlebt. Der von den Nationalsozialisten entfesselte totale Krieg zerstörte die Städte. Die Durchsetzung der „autogerechten Stadt“ und einer kompromisslosen Funktionalmoderne in den Stadtzentren nach 1945 wurde dadurch erst möglich.
Die Rekonstruktion einzelner Schlüsselbauwerke hat durchaus das Potenzial für eine Neuerfindung und Weiterentwicklung der Architekturgestaltung zukünftiger Neubauten – der immer gleiche Historismus im Neobauhausstil seit 100 Jahren ist alles, nur nicht modern oder kreativ. Die derzeit unsinnige Spaltung der Architekten und Stadtplaner in eine „Stein/alt“- und „Glas/trendige Technogebilde“-Fraktion (wie es auch der ehemalige Berliner Senatsbaudirektor formulierte) muss überwunden werden. Durch diesen destruktiven Streit werden die Städte für die Anwohner sicher nicht lebenswerter!
Auch sollte die Architektur der Gegenwart wieder in einen konstruktiven Dialog mit der Baugeschichte treten – keine bloße Reduzierung auf das Bauhaus! – und allgemein verbindliche Regeln für die Architektur der Stadt anerkennen. Eine Versöhnung zwischen Tradition und Moderne ist wünschenswert und könnte helfen, neue Handlungskonzepte für eine möglichst gelingende Bewältigung der veränderten Herausforderungen der Zukunft, wie die ökologische Krise und eine wachsende soziale Spaltung der Stadt, zu entwickeln. Die vielfältigen Bedürfnisse der Nutzer sollten von einigen Architekturkritikern und Stadtplanern nicht missachtet, sondern in den Mittelpunkt ihrer Entwürfe und Überlegungen gestellt werden.
MARKUS ERICH-DELATTRE, Hamburg