Toxische Bro-Kultur: Stoppt die Muskulinisten!
Elon Musk und seine Armee der „tech bros“ greifen nach der Macht. Darunter leiden vor allem die Frauen – und am Ende die ganze Welt.
E in bleicher Milliardär hüpft auf eine Bühne in New York. Zwischen E-Gitarrenriffs und Jubelgeschrei zieht er den Bauch ein, wirft die Arme in die Luft und drückt die Hand des Mannes, der ihn soeben als „den größten Kapitalisten in der Geschichte Amerikas“ angekündigt hat. Für einen Moment hebt er sein schwarzes Baseballcap mit der Aufschrift „Make America Great Again“.
Elon Musk ist gekommen, um Donald Trump im Wahlkampf zu unterstützen. Dafür baut er sich vor dem Mikro auf, flext kurz seine nicht erkennbare Armmuskulatur und brüllt. Wie einer, der zu viele Wikingerserien gesehen hat und dessen Sehnsuchtsort eine zweite Steinzeit ist.
Das war am 27. Oktober. Wenig später, am 5. November, als sich der Wahlsieg Donald Trumps abzeichnete, flutete Hass das Internet. Auf X, dem Höllenschlund, der nach Musks Übernahme noch von Twitter übrig ist, schrieb der Holocaustleugner und White-Supremacy-Anhänger Nick Fuentes: „Your body, my choice. Forever“.
Den Beitrag einer Nutzerin, die äußerte, sie wolle doch einfach nur einen Präsidenten, der kein Vergewaltiger sei, kommentierte der sogenannte Männlichkeitsinfluencer Andrew Tate mit den Worten: „REQUEST DENIED“ – Anfrage abgelehnt, wieder gebrüllt, in Großbuchstaben. Die Zeitschrift Wired berichtete, dass Trump-Unterstützer auf dessen Social-Media-Plattform Truth Social die Todesstrafe für Kamala Harris forderten und im Netz ein Meme viral ging, das die Aussendung von Vergewaltigungstrupps forderte.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Diese Männer bäumen sich auf, sie schlagen sich auf die Brust, und spucken ihren rohen Hass in die Welt. Untertiteln ließe sich dieses Gebaren wohl so: Der Feminismus ist tot, der harte Kerl ist zurück, er brüllt, kämpft, beherrscht. Vom Schreibtisch aus reißt er die Macht wieder an sich und wird dabei vor allem das Weib unterwerfen. Dafür bildet er Rudel.
Man kneift sich, aber das bleibt die Gegenwart, in der wir leben. So lächerlich und bedrohlich zugleich.
Um einer Bedrohung etwas entgegenzusetzen, muss man sie verstehen. Toxische Männlichkeit, völkische Ideologien, Maskulinismus, Identitätskrise – es gibt viele Ansätze, das Machtgebaren der Männer einzuordnen. Derzeit ist wieder viel von sogenannten bros, also Brüdern, die Rede. Von einer bromance zwischen Trump und Musk und von der bro culture, also dem Verhaltenscodex, den solche Männer propagieren.
Der bro ist eine überarbeitete Neuauflage des Machos
Bros sind nicht eindeutig zu definieren. Aufmerksamkeit bekamen sie zuletzt um 2017, damals erschienen reihenweise Artikel über den Sexismus des Silicon Valley, und die US-Autorin Emily Chang schrieb in ihrem Buch „Brotopia“ unter anderem über die Männerclique von Paypal-Gründer Peter Thiel, in der Mann einander Geld und Posten zuschob und sich und anderen trotz Eliteuniabschluss einredete, gerade noch „Außenseiter“ gewesen zu sein. Derselbe Peter Thiel hat jetzt den politischen Aufstieg von J. D. Vance finanziert.
Viele bros wurden im neoliberalen Mekka der Tech-Start-ups, was sie heute sind. Sie haben Firmen gegründet, die Probleme erfinden, deren Lösung sie gewinnbringend verkaufen, sie haben unterwegs ein paar Frauen eingestellt und ein paar Klagen wegen sexueller Übergriffe am Hals, die ihre Karriere aber nicht wirklich beeinträchtigen. In ihren Bücherregalen stehen Marvelfiguren neben Biografien superreicher Typen, denen sie nacheifern. Und selbst, wenn sie keine Fans von Elon Musk sind, trennen sie strikt das geniale Werk (Tesla! SpaceX!) vom rechtsextremen Autor.
Der bro ist eine überarbeitete Neuauflage des Machos. Er zieht sich nicht mehr unbedingt für Zigarre und Whiskey mit den Herren ins Séparée zurück, er trägt selten Krawatte oder polierte Schuhe, zur Tarnung räumt er sogar mal das Geschirr ab oder geht mit den Kindern ins Kino. Aber er liebt es eben noch immer, sich zum Erhalt seiner Stellung mit seinesgleichen zu umgeben. Männer, die ihm zustimmen, wenn er sagt, dass er schlicht größere berufliche Ambitionen hat als seine Frau. Die sich in die Fäuste beißen, wenn sie ganz nah in das Foto der neuen Kollegin reinzoomen. Aber egal ob 1960, 2017 oder 2024: Der Aufstieg der bros bedeutete immer die Entrechtung der Frauen.
Die Journalistin Alice Hasters beschreibt bros in einem Essay auf Zeit Online als „in der Regel (…) junge heterosexuelle Männer, die kein großes Interesse an Politik haben. Sie haben keine starke Meinung zum Recht auf Schwangerschaftsabbruch oder dem Krieg in der Ukraine, sie sind nicht geplagt von der Frage, wofür die USA stehen. Sie wollen genug Geld auf dem Konto, einen verlässlichen männlichen Freundeskreis und irgendwann mal ihre Traumfrau heiraten und eine Familie gründen“. Das ist auch deshalb eine hilfreiche Annäherung an den bro, weil sie zeigt, dass es um mehr geht als um antiquierte Männlichkeitsperformance. Kein Interesse, keine Meinung, Hauptsache ich und meine Familie? Bros first, America second.
Neben der Frauenverachtung macht genau diese Haltung die Bro-Kultur so gefährlich. Politik machen oder auf Politik scheißen, aber eben immer im Egoshooter-Modus. Und als wäre das nicht schlimm genug, leben Trump und Musk gerade auf größtmöglicher Bühne vor, dass die ganze Welt milliardenschweren misogynen Unternehmern gehört – und denen, die zu ihnen halten.
Zwei Milliardäre machen die Welt zu ihrem Spielfeld
Musk hat 130 Millionen Dollar in Trumps Wahlkampf gesteckt, mehr als irgendwer sonst. Und natürlich hat er von dessen Sieg profitiert: 21 Milliarden Dollar reicher soll er nun sein, vor allem wegen der Tesla-Aktie, die sofort zulegte, weil Trump hohe Strafzölle auf chinesische Importe versprochen hat.
„Berater für Regierungseffizienz“ wird Musks offizieller Titel nun lauten, gemeinsam mit dem Pharmaunternehmer Vivek Ramaswamy soll er im neu gegründeten Department of Government Efficiency „den Weg ebnen, Bürokratie abzubauen, überflüssige Vorschriften zu streichen, verschwenderische Ausgaben zu kürzen und die Bundesbehörden umzustrukturieren“. Das erklärte Trump am vergangenen Mittwoch.
Hier haben also zwei Milliardäre ineinander investiert, weil sie für sich selbst Profit rausschlagen wollen. Und noch dazu besitzen sie nun die mediale und politische Macht, die USA und den Rest der Welt zu ihrem Spielfeld zu machen. Diese Männer behandeln ein ganzes Land und seine Institutionen wie einen Großkonzern, dessen Anteile sich aufkaufen und zum eigenen Vorteil zurechtbiegen lassen. Und sie werden dafür nicht verhaftet, sondern gefeiert.
Es gibt zu viele Menschen, die diesem Verhalten nacheifern. Sie müssen dafür nicht alle einen auf Amateur-Käfigkämpfer machen, und Staatsoberhaupt werden sie wohl auch nie. Aber etwas mehr vom Kuchen, das wär’s.
Die „Ich und mein Rudel zuerst“-Kultur frisst sich mit Höchstgeschwindigkeit in den Planeten. Und sie hat es dort besonders leicht, wo Gemeinschaftssinn schwindet und PopulistInnen und FanatikerInnen die Angst vor sozialem Abstieg und Statusverlust befeuern. In Europa lässt man Menschen an den Außengrenzen sterben. In Deutschland, wo es parteiübergreifende Einigkeit für einen sozialökologischen Umbau und gegen die AfD bräuchte, gockeln wieder die Gockel nach Kanzlerschaft.
Der Siegeszug der bros muss alle alarmieren!
In Zeiten globaler Unsicherheit ist der Mensch wohl geneigter, es den bros gleichzutun. Die haben es ja nach oben geschafft, während hier unten alles zugrunde geht. Die eigene Erfolgsleiter ist greifbarer als linke Ideen von Sozialstaat und Solidarität.
An dieser Stelle verliert die bro-Kultur übrigens ihren Penis. Nicht ein Körperteil ist der Fehler, sondern AntifeministIn zu sein. Nicht die Verbrüderung an sich, sondern das Zuhalten von Türen, das Errichten von Festungen, das Ausüben und Hinnehmen von Gewalt. Das ist ein wichtiger Unterschied.
Auch Frauen können antifeministisch sein oder Bro-Kultur leben, genau wie eine Person mit Migrationsgeschichte sich wie ein alter weißer Mann verhalten und ein aufgestiegenes Arbeiterkind zum Kapitalisten werden kann. Arschlochverhalten wird nicht weniger arschig, wenn man Ärsche diversifiziert.
Wenn es zur Leitkultur wird, ein artähnliches Rudel um sich zu versammeln und sich einen Dreck um die Welt und die Folgen des eigenen Handelns zu scheren, dann wird es dunkel. Schon jetzt trifft diese Verdunkelung all diejenigen, die nicht hineinpassen (wollen) in die testolibertäre Weltordnung: Kinder, Mädchen, Frauen, Alte, Kranke, Queers, trans Personen, Menschen mit Behinderungen, Menschen ohne Geld. Menschen ohne Papiere. Gerade deshalb muss der Siegeszug der bros alle alarmieren.
Wer sich von dieser Aufzählung nicht angesprochen fühlt, warte ab. Fälschlicherweise glauben ja viele, sie wären näher dran am Leben eines Elon Musk als an dem der Obdachlosen vor ihrer Haustür. Aber mindestens alt und pflegebedürftig werden die meisten von uns. Fragt sich nur, in welcher Welt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“