■ Tour de France: Bergziege Ludwig?
Berlin (taz/dpa) – „Ich bin eigentlich kein Kletteraffe“, bekundete Olaf Ludwig bei einer PR- Veranstaltung vor wenigen Wochen in Sindelfingen. Dort ließen ihn die Veranstalter eine zehn Meter hohe Kletterwand hochkraxeln. Seine Statur prädestiniert ihn nicht gerade für Alpinismus jedweder Art. Groß und schwer, war der 33jährige froh, wieder Boden unter den Füssen zu haben.
Freude kam nun auch in Montpellier bei Olaf Ludwig nebst Sponsor auf. Der Thüringer bewies seine Qualitäten, diesmal auf seinem eigentlichen Arbeitsgerät, dem Rennrad, und auf flachem Gelände. Dem Olympiasieger des Jahres '88 gelang sein insgesamt dritter Etappensieg (1990 Besançon, 1992 Paris). Damit habe er „eine Lawine losgetreten“, wie dpa zu berichten wußte. Ein großer Stein fiel vor allem seinem Arbeitgeber, Telekom, vom Herzen. Ohne diesen Erfolg von Montpellier wäre dessen ehrgeiziges Tour- Prestige-Objekt ziemlich kläglich gescheitert. „Wir hatten darüber nachgedacht, unser Engagement im Profi-Radsport über 1994 hinaus nicht fortzusetzen“, gestand ein sichtlich erleichterter Werbeleiter Detlev Thye.
Auch Olaf Ludwig atmete auf: „Der größte Druck ist weg.“ Der 33jährige: „Jeder Etappensieg ist wie eine kleine WM.“ Dieser war besonders wichtig (siehe oben), auch weil Ludwig in den Frühjahrsklassikern den Anschluß an die Spitzenfahrer nicht geschafft hatte. Warum es diesmal geklappt hat? Teamwork. Brüderlich teilte Olaf Ludwig den Lorbeer: „Das war saustark! Die ganze Mannschaft hat gewonnen.“ Der Mann mit dem Millionen-Einkommen teilte auch die Kohle: „Meine ganzen Prämien vom Sponsor und das Geld für den Sieg wandern in den Topf fürs Team.“
Die neun Fahrer fahren als einziges Tour-Team noch in kompletter Besetzung. 15 Kilometer vor dem Ziel sorgte vornehmlich der Leipziger Uwe Raab dafür, daß eine Spitzengruppe mit Miguel Induráin und Tony Rominger wieder gestellt wurde. Raab: „Als ich da rangefahren war, dachte ich, jetzt bist du platt, kannst für Olaf im Schlußspurt nichts mehr machen. Aber ich sagte mir, du schaffst es.“
Er schaffte es, und Olaf Ludwig ist geschafft. Sein Magen rebelliert. Dabei ist er so richtig hungrig, liebäugelt mit dem grünen Trikot und einem zweiten Etappensieg, wohl wissend, „das wird schwer, erst einmal muß ich über die Pyrenäen kommen“. Aber Klettern hat er ja in Sindelfingen gelernt.-coh-
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen