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■ Tour d' EuropeEU prüft erst mal

Kurz nachdem der Europäische Gerichtshof das Bremer Gleichstellungsgesetz für ungültig erklärte, versprach der in Brüssel für Frauenpolitik zuständige EU- Kommissar Padraig Flynn, er werde alles unternehmen, damit das Urteil seine Bedeutung wieder verliert. Seine Behörde werde einfach prüfen, ob man nicht die Richtlinie ändern kann, auf die sich der Gerichtshof gestützt hat.

Denn die Luxemburger Richter haben ihr Urteil nicht auf der Grundlage einer europäischen Verfassung gefällt – die gibt es nicht –, sondern auf der Basis eines einfachen europäischen Gesetzes aus dem Jahre 1976 – und das kann man ändern. Es liegt bei der Kommission, einen Vorschlag auszuarbeiten, und bei den 15 Mitgliedsregierungen, diesen Entwurf zu beschließen. Ob sich dann wirklich eine Mehrheit für die Gesetzesänderung findet, hängt im wesentlichen davon ab, wie sich das Urteil in den nächsten Monaten auswirkt.

Selbst unter Juristen gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, was die Richter entschieden haben. Klar ist nur, daß sie das Bremer Gleichstellungsgesetz verworfen haben, weil es „den Frauen bei Ernennungen oder Beförderungen absolut und unbedingt den Vorrang einräumt“. Und dadurch würden Männer aufgrund ihres Geschlechtes diskriminiert.

Weit weniger klar ist, ob damit alle Quotenregelungen gegen europäisches Gesetz verstoßen. Die Frauenministerinnen in Nordrhein- Westfalen und in Rheinland-Pfalz etwa sind der Meinung, daß ihre Länder nicht betroffen sind, weil in den jeweiligen Gleichstellungsgesetzen Ausnahmen und Härtefallregeln vorgesehen sind. In der Europäischen Kommission ist man da anderer Meinung. Das Urteil lasse nur noch Raum für unverbindliche Zielvorgaben: daß Frauen zu fördern und ein 50prozentiger Frauenanteil anzustreben sei.

Die Kommission will nun erst einmal Informationen sammeln über die Situation in den Mitgliedsländern. Vor allem in Skandinavien herrscht Unklarheit, wie weit die dort sehr forschrittlichen Gesetze nun geändert werden müßten. Während man sich in Schweden noch relativ sicher ist, daß die locker vorgegebene Frauenquote dem europäischen Recht entspricht, gibt es in Dänemark erhebliche Zweifel. Die Schweden halten ihr Modell ohnehin für das einzig echte Gleichstellungsgesetz, weil es nicht nur Frauenquoten, sondern auch Männerquoten vorgibt. In typischen Frauenberufen wie Krankenschwester oder Kindergärtnerin soll dadurch der Anteil der Männer erhöht werden.

Die meisten EU-Regierungen stehen Quoten eher skeptisch gegenüber. Frankreich beispielsweise verweist auf andere Möglichkeiten der Frauenförderung, auf bessere Ausbildung und mehr Erleichterungen für berufstätige Mütter. Außer in Deutschland gibt es im Grunde nur in Dänemark Befürchtungen, daß sich das Luxemburger Urteil unmittelbar auf bestehende Gleichstellungsgesetze auswirkt.Alois Berger, Brüssel

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