: Totgeschwiegen
■ betr.: „Pierre Seels lange Jahre der Scham“, „Jagdrevier Wirtschafts wunderland“ (Mit dem Nazipara graphen 175 wurden Schwule bis Ende der 60er Jahre verfolgt), taz vom 30.9. 96
Schön, daß die taz über die Verfolgung von Homosexuellen während und nach der Nazizeit so ausführlich berichtet. Erstaunlich, enttäuschend und ebenso erschreckend dagegen, daß mit keinem Wort die weiblichen Homosexuellen erwähnt werden (Lesben nennen wir uns gerne), die ebenfalls verfolgt wurden und von den Nazis beispielsweise gerne in Häftlingslagerbordelle gesteckt wurden, um sie zu „kurieren“. Auch wurden lesbische Frauen in den KZs nicht mit dem Rosa Winkel gekennzeichnet; sie waren entweder „Asoziale“ oder „Politische“ (was ja auch im Hinblick darauf interessant ist, daß viele Lesben tatsächlich politisch sehr aktiv waren und sind, Frauenbewegung wird dieses Phänomen genannt).
Demzufolge ist auch nicht mehr nachzuvollziehen, wie viele der verhafteten Frauen tatsächlich aufgrund ihrer Homosexualität inhaftiert worden sind. Diese Frauen, die schon von den Nazis ignoriert wurden und weiterhin auch von der Bundesregierung (und dem Rest der Gesellschaft), werden dann auch noch von der taz totgeschwiegen. Die eine Referentin (Claudia Schoppmann, die übrigens mehrere diese Thematik betreffende Arbeiten publiziert hat) auf dem derzeit in Saarbrücken stattfindenden Kongreß „Die unterbliebene Wiedergutmachung für homosexuelle Opfer in der Bundesrepublik Deutschland“ rechtfertigt anscheinend auch keine feminisierte Schreibweise der zusagenden „Referenten“. Alles sehr traurig, von der taz hätte ich wirklich mehr erwartet. Yasemin Hendem, Osnabrück
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