■ Querspalte: Tote Medien, tote Politik
Nominierungsparteitage wie in den USA bieten die beste Chance, tote Medien zu studieren – Überbleibsel einer einst vitalen und mächtigen Institution. Die Conventions haben weder mit Information noch mit gesellschaftlichen Themen, noch mit Demokratie und Bürgerrechten irgend etwas zu tun. Sie produzieren keine Nachrichten, und sie ziehen wenig Interesse seitens der Bürger auf sich. Deshalb paßt es, daß sich die Vertreter Toter Medien dort versammeln.
Im interaktiven Zeitalter werden nur Tote Medien – die Rede ist natürlich vom Fernsehen – fromm ein Ereignis kommentieren, bei dem nichts passiert. Nur die Toten Medien werden mit Übertragungsgeräten über den Köpfen im Getümmel herumlaufen, um Delegierte zu interviewen, die nichts zu entscheiden, keine Themen zu debattieren und wenig mehr zu tun haben, als auf Abruf zu schreien und zu applaudieren. Ein enormer Wandel in der Informationstechnologie hat ihnen viel von ihrem Gewicht genommen. Die Toten Medien trösten sich mit Insignien der Wichtigkeit: kleine Abzeichen, tägliche Briefings, freies Essen, Sendekabinen.
Weil die Toten Medien alle an einem Ort gefangen sind, denselben Leuten zuhören und dieselben Dinge beobachten, haben selbst die Besten unter ihnen die Tendenz, sich in die Herde einzureihen, die immer wieder dasselbe Futter durchkaut. Die einzige Alternative wäre, nicht hinzugehen, aber Tote Medien werden unwiderstehlich von solchen Versammlungen angezogen. Der Mainstream in Journalismus und Politik ist zunehmend von der Vergangenheit besessen. Entweder trauert man ihr nach oder sucht verzweifelt Inspiration. Bob Dole kämpft den Zweiten Weltkrieg noch einmal, Bill Clinton versucht der Ronald Reagan von heute zu sein, einer, der verlorene Familienwerte wiederbelebt.
Ist das die Geschichte von Chicago? Nein, die Geschichte ist, daß es keine Geschichte gibt. Sonst wären die Toten Medien ja nicht dort. Jon Katz
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