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Tote Geiseln gehören zum Kalkül

■ Mit Panzern und Hubschraubern will die russische Armee die Geiseln der tschetschenischen Rebellen befreien

Perwomaiskaja (dpa/AP/AFP) – Gut zwölf Stunden nach Beginn ihres Angriffs auf das Dorf Perwomaiskaja hatten die russischen Truppen gestern abend die Situation noch nicht unter Kontrolle. Begonnen hatte der Vorstoß gestern morgen um 7 Uhr (MEZ). Russische Elitetruppen für den Nahkampf, Artillerie und Kampfhubschrauber hatten innerhalb kurzer Zeit das Dorf Perwomaiskaja in Brand geschossen. Die tschetschenischen Rebellen leisteten erbitterten Widerstand. Etwa drei Stunden nach Beginn des Angriffs war es den ersten russischen Soldaten gelungen, in das Dorf einzudringen. Am Mittag verlagerte sich der Schwerpunkt der Kämpfe vom Dorfzentrum auf die südlichen und westlichen Randbezirke. Gegen 16.30 Uhr meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax die Befreiung von 10 der rund 130 Geiseln. Über die Lage der übrigen gab es keine Nachrichten. Bei den Kämpfen wurden nach tschetschenischen Angaben 34 russische Soldaten und sieben Tschetschenen getötet. Außerdem seien neun Tschetschenen verletzt worden. Russischen Quellen zufolge starben bei den Kämpfen sechzig Rebellen und vier Soldaten, mindestens sechs Geiseln seien von den Tschetschenen getötet worden.

Zuvor hatte Boris Jelzin bei einer Krisensitzung den Einsatz gerechtfertigt. Er kündigte an, den Einsatz innerhalb eines Tages abzuschließen. Dagegen forderte der russische Menschenrechtler Sergej Kowaljow den russischen Präsidenten auf, den Angriff auf Perwomaiskaja sofort zu beenden. „Die sogenannte Operation zur Befreiung der Geiseln hat viele Chancen, sich in eine Operation zur Vernichtung der Geiseln zu verwandeln“, sagte Kowaljow. Als Reaktion auf das blutige Vorgehen der russischen Truppen im Kaukasus erwägt die Kommunistische Partei ein Mißtrauensvotum gegen die Regierung. Als erster westlicher Staat hat Frankreich auf die Vorfälle in Dagestan reagiert. Paris halte die Lage für besorgniserregend. Deshalb erwäge der französische Außenminister Hervé de Charette einen baldigen Besuch in Moskau, teilte das französische Außenministerium mit. Tagesthema Seite 3

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