■ Totalverweigerer verurteilt: Generäle lieben Mörder
Der Zufall führt in Sachen Ironie die beste Regie: Gestern wurde ein DDR-Grenzer freigesprochen, der einen Flüchtling getötet hat. Am selben Tag wird Oliver Blaudszun verurteilt, weil er weder in der DDR noch heute auf Menschen schießen wollte. Mit dem Urteil des Totalverweigerers hat das Gericht deshalb die Chance vergeben, endlich den paradoxen Fall Blaudszun aufzubrechen. Den rechtssystematischen Spielraum hätte es gegeben, das hat in einem ähnlichen Fall ein Gericht in Rostock vorexerziert. Mit einem Freispruch Blaudszuns wäre endlich einem Menschen Gerechtigkeit widerfahren, der eigentlich dem Idealbild bundesdeutscher Sonntagsredner vom widerständigen DDRler entspricht.
In der Abwägung aber war für das Gericht nicht die Lebensgeschichte des Oliver Blaudszun vorrangig, sondern der Herrschaftsanspruch der Bundeswehr. Die formale Argumentation des Gerichts, Blaudszun hätte eben ordnungsgemäß seine Verweigerung auch der Bundeswehr mitteilen müssen, trägt nicht. Ebenso könnte der Bundeswehr Verletzung der Fürsorgepflicht angelastet werden. Schließlich hat das Kreiswehrersatzamt Blaudszun bei seiner Einberufung nicht darauf hingewiesen, daß er trotz der bekannten DDR-Verweigerung erneut Widerspruch einlegen muß. In der Konsequenz hat das Gericht Blaudszun damit noch einmal für seine Verweigerung in der DDR verurteilt, die ihm dort bereits 14 Monate Haft eingebracht hatte. Hätte Blaudszun als Grenzsoldat jemand erschossen, er stünde heute besser da. Dann hätte er nur seine Pflicht getan. Das lieben die Generäle. Gerd Nowakowski
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