piwik no script img

Total multilingual

■ Rockender Charme tonnenweise: „Stereo Total“im Tower

Man mag sich noch so sehr gegen die oberflächliche Verniedlichung ausländischer Akzente sträuben, aber wenn Französinnen deutsch sprechen, kann man sich der Bewunderung kaum verschließen. Da wird „einö Kassö“aus „eine Katze“oder „übä'haup nisch“aus „überhaupt nicht“, und man ist hin und weg. So hatte Françoise Cactus, gebürtige Französin, Überzeugungs-Berlinerin und die weibliche Hälfte der Kernbesetzung von „Stereo Total“, das Publikum beim Konzert ihrer Band am Mittwoch im „Tower“bereits betört, bevor sie auch nur einen Ton gespielt hatte. Durch ihren Akzent und eine Zopffrisur, mit der sie aussah wie Winnetous Squaw, versprühte sie das ganze Konzert über tonnenweise Charme. Das war keineswegs der einzige Grund für die fröhliche Ausgelassenheit der Anwesenden.

„Stereo Total“geht ein wenig der Ruf der tüftlerischen Home-Recorder voraus. Dementsprechend liebte Ober-Tüftler Brezel Göring es, seinen Maschinen zufällige Töne zwischen tiefem Brummen und schrillem Fiepen im fliegenden Wechsel zu entlocken.

Solche schaurig schönen Attacken auf die Gehörgänge sparte er sich allerdings für die Momente zwischen den Songs und als Untermalung für die Vorstellungen der Gastmusiker, die er im verhuschten Conférencier-Stil ins Mikrofon murmelte. Die eigentlichen Songs kamen meist überraschend bodenständig daher. Göring stemmte sich heftig rockend in seine Gitarrensaiten, Cactus bearbeitete flott das Schlagzeug, die Gäste an Baß und Keyboard mochten es ebenfalls am liebsten schnell.

Dazu gab es Texte in deutsch, französisch und italienisch mit seltsamen Erläuterungen: „Das nächste Lied heißt auf deutsch 'Die Hautfarbe der Sonne' und geht über die Frauen, die nicht braun werden.“

Beliebt waren vor allem Cover-Versionen. „My Way“gab es als Chanson mit Punk-Verlängerung. Das hatte zwar Sid Vicious schon gemacht, aber nicht auf französisch. Leider nur als Schlußgag angespielt wurde eine Rock-Fassung von „Salt & Peppas“HipHop-Klassiker „Push it“mit beißender Gitarre, hartem Schlagzeug und permanentem Hintergrund-Feedback.

Ein Höhepunkt war die deutsch-französische Version von „Der goldene Reiter“, die der Keyboarder mit einer schönen Mischung aus Joachim-Witt-Huldigung und -Parodie hauchte. Der erwies sich als äußerst mitteilsam: „Ich heiße Reimo: R, E, I, M, O. Mein Vater heißt Wido: W, I, D, O. Und wenn ich mal ein Kind habe, nenne ich das Bo: B, O.“Darauf Françoise Cactus: „Und wie 'eißt deinö Oma?“Die hieß Frieda, und Reimo wußte noch viel mehr Namen seiner Verwandtschaft zu buchstabieren. Süß. Andreas Neuenkirchen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen