: Toskana, ich komme
■ Ohne den Kanzler zu fragen: Finanzminister Oskar Lafontaine verläßt die Regierung. Und den SPD-Vorsitz wirft er hinterdrein. Europäische Finanzmärkte reagieren euphorisch, der Euro springt prompt nach oben
Bonn (dpa/taz) – Oskar Lafontaine ist gestern von seinen Ämtern als SPD-Parteivorsitzender und Bundesfinanzminister zurückgetreten. Dem Vernehmen nach will er auch sein Bundestagsmandat aufgeben und sich völlig aus der Politik zurückziehen.
Wie es aus dem Kanzleramt heißt, ist Bundeskanzler Gerhard Schröder von dem Rücktritt völlig überrascht worden. Am Mittwoch hatte es auf einer Kabinettssitzung zwischen Schröder und mehreren Regierungsmitgliedern offenbar schwere Auseinandersetzungen gegeben. Der Kurs des Euro hat nach dem Rücktritt von Lafontaine deutlich angezogen und legte um zwei Cent auf 1,1040 gegenüber dem Dollar zu.
Gegen Mittag hatte Bundesgeschäftsführer Ottmar Schreiner das Rücktrittsschreiben Lafontaines ins Kanzleramt gebracht. Der Rücktritt wurde erst gegen 18 Uhr öffentlich bekanntgegeben. Selbst enge Mitarbeiter waren bis kurz vor 18 Uhr über den Rücktritt nicht informiert. Es hieß sogar noch, Lafontaine werde demnächst wieder zu einem Hintergrundgespräch einladen.
Ausschlaggebend für den Rücktritt war wohl die Kabinettssitzung vom Mittwoch. Schröder hatte mehreren Ministern eine „Politik der Nadelstiche“ gegen die Wirtschaft vorgeworfen und hinzugefügt: „Es wird einen Punkt geben, wo ich die Verantwortung für eine solche Politik nicht übernehmen werde.“ Finanzminister Lafontaine warf er vor, mit der Besteuerung von Rückstellungen der Energiewirtschaft einen strategischen Fehler gemacht zu haben. Außerdem attackierte er ihn indirekt, indem er die steuerliche Belastung für die Wirtschaft kritisierte. Lafontaine und Schröder hatten zwar in den letzten Monaten immer wieder beteuert, daß sie inhaltlich auf einer Linie lägen, der grundsätzliche Konflikt zwischen ihnen blieb aber niemandem verborgen: Vereinfacht gesagt, will Lafontaine eher die Arbeitnehmer entlasten, Schröder eher die Arbeitgeber. Lafontaine hatte bis zuletzt, auch im kleineren Kreis, darauf beharrt, daß er und Schröder inhaltlich weitgehend einer Meinung seien. Er hatte aber zugegeben, daß er über das Management der Bundesregierung unzufrieden sei. Vor drei Wochen hatte er vor den parlamentarischen Linken der Partei die mangelhafte Koordinierung der Bundesregierung gerügt. Vor zwei Wochen hatte er vor der Fraktion geschimpft: So kann man nicht regieren. Vor wenigen Tagen hatte Lafontaine in einem Hintergrundgespräch ausgeschlossen, daß er als Finanzminister zurücktreten werde. Markus Franz
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