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Tornados für Konzentrationsschwache

In Lagerlechfeld soll eine Lernbehindertenschule direkt neben die Startbahn verlegt werden. Bisher hält sich der Protest in Grenzen. Auch der Bürgermeister sieht im Fluglärm keinen Hinderungsgrund  ■ Von Klaus Wittmann

„Das ist ganz arg laut. Manchmal knallt das richtig im Ohr“, meint die sechsjährige Marie- Luise. Und ihre Freundin Melanie stimmt ihr zu. „Oft tu' ich mir die Ohren zuhalten oder Ohrstöpsel rein.“ Die beiden Mädchen besuchen eine Grundschule – und die steht keine 300 Meter neben der Startbahn von Lagerlechfeld. Von hier aus starten täglich mehrere Tornados gen Piacenca, um von dort aus den Luftraum über Bosnien zu überwachen.

Melanie und Marie-Luise haben Glück. Ihre Schule soll künftig in einem Neubau einige Kilometer vom Fliegerhorst entfernt untergebracht werden. In ihr altes Schulgebäude, so die Planung, zieht dann eine Schule für Kinder mit Lern- und Konzentrationsschwächen ein. Nach dem Fluglärmgesetz von 1971 dürfte in Lagerlechfeld in der Lärmschutzzone 1 keine Schule mehr errichtet werden, doch die Nutzung von bestehenden Einrichtungen ist nicht untersagt.

Der Protest gegen diese Pläne hält sich in der Flugplatzrandgemeinde Lagerlechfeld in Grenzen. Aufbegehren schickt sich hier nicht, schließlich ist die Bundeswehr ein großer Arbeitgeber. Mit nur drei Gegenstimmen hatte der Gemeinderat von Untermeitingen-Lagerlechfeld Mitte Dezember beschlossen, das frei werdende Schulgebäude dem Landkreis Augsburg zur Vermietung anzubieten. Für die Christopherusschule, eine staatliche Schule zur individuellen Lernförderung im nahen Königsbrunn, ein willkommenes Angebot. Immerhin herrschte Raumnot. Auf die Frage, ob es vertretbar sei, Schülerinnen und Schüler mit Konzentrations- und Lernschwächen tatsächlich unmittelbar neben der Start- und Landebahn zu unterrichten, will der Direktor der Schule keine Antwort geben. Er verweist ans Landratsamt Augsburg. Ein Sprecher dort erklärte, es sei in dieser Sache bislang noch nichts beschlossen.

Auch der Elternbeirat hält sich zurück. Eva Schütz, die zweite Vorsitzende, meint, man müsse erst einmal abwarten, bis etwas beschlossen sei. „Hundertprozentig ist da noch gar nichts.“ Daher habe sich der Elternbeirat bisher auch noch nicht erkundigt, „inwiefern das mit dem Lärm für die Kinder schlimm ist“. Sie selbst, so meint Schütz, sei früher in der Schule unterrichtet worden und habe das nicht als sonderlich störend empfunden. Eine Mutter, die gerade ihre Kinder vom Unterricht abholt, will auch nichts vom Fluglärm hören. „Ich bin jetzt 36 Jahre alt und leb' immer noch. Das stört doch keinen.“

Markus Hierl ist da ganz anderer Meinung. Als vor einigen Jahren neben dem alten Schulhaus auch noch ein Kindergarten errichtet werden sollte, legten er und seine Frau eine Petition im Bayerischen Landtag ein. Vergeblich. Der Kindergarten wurde gebaut, ebenso wie die Schule weiter genützt werden soll.

Wenig beeindruckt von den Protesten Hierls zeigt sich Gemeindechef Georg Klaußner. In Lechfeld, meint der CSU-Bürgermeister, wisse man eben, was man an der Bundeswehr habe. Stänkern würden immer nur die Zugezogenen, nicht aber die Einheimischen.

Daß sich die Grundschüler über Lärm beklagen, hält der Gemeindechef, der selbst einige Kilometer entfernt von der Start- und Landebahn im Hauptort Untermeitingen residiert und vom Fluglärm weit weniger betroffen sein dürfte als die Schüler, für übertrieben. Immerhin dürfe man nicht vergessen, daß schon Generationen von Schülern in diesem Schulhaus unterrichtet wurden. Im übrigen sei das mit dem Fluglärm ja auch schon viel besser geworden. Außerdem, so Klaußner, würden die Kinder doch auch vor Ort wohnen. Nachmittags und in den Ferien seien sie daher eh rund um die Uhr dem Fluglärm ausgesetzt. In ihrer Schule hätten sie da sogar einen Vorteil. Immerhin säßen sie dort hinter Lärmschutzfenstern, „so daß die Lärmbelastung sogar geringer wird“.

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