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Archiv-Artikel

Tor zu China

Das Fußball-Länderspiel Deutschland – China hat an einem durchaus passenden Ort stattgefunden. Kaum eine europäische oder gar deutsche Stadt kann auf so enge wirtschaftliche Beziehungen mit dem Reich der Mitte verweisen wie Hamburg. Der Senat bemüht sich nach Kräften, mit diesem Pfund zu wuchern und mögliche Konkurrenten in Gestalt anderer Metropolen, wie etwa Berlin, abzuhängen. Im kommenden Jahr veranstalten Handelskammer und Senat einen „Hamburg Summit: China meets Europe“, bei dem wirtschaftliche und umweltpolitische Fragen erörtert werden sollen, außerdem eine „China Time“, in deren Rahmen die kulturelle Vielfalt des Landes vorgestellt werden soll.

Die Handelsbeziehungen Hamburgs zu China reichen weit zurück: 1731 legte das erste chinesische Schiff aus der Provinz Kanton im Hafen an. 1845 gründeten hanseatische Unternehmer eine Niederlassung in Guangzhou. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in St. Pauli eine Chinatown, einen Straßenzug in dem rund 2.000 Chinesen wohnten. Während des Dritten Reiches emigrierten die meisten von ihnen. Die übrigen wurden 1944 von der Gestapo in Arbeitslager verschleppt.

Heute leben wieder mehr als 10.000 Chinesen in Hamburg. 360 chinesische Firmen haben sich hier angesiedelt, nach Angaben der Wirtschaftsbehörde soviele wie in keiner anderen Stadt Europas. Meist handelt es sich dabei um kleine Ableger chinesischer Stammhäuser. Eine Ausnahme bilden die Reedereien wie Cosco und China Shipping.

Nirgendwo anders in Europa werden im Verkehr mit China mehr Container umgeschlagen als in Hamburg. Mit mehr als 1,7 Millionen Standardcontainern (TEU) liegt Hamburg deutlich vor Rotterdam (1,4 Millionen). Allein im vergangenen Jahr ist diese Zahl um 27 Prozent gewachsen.

700 Hamburger Außenhandelsfirmen machen Geschäfte mit China und selbst die Architekten sind beim China-Geschäft dabei: Das Büro Gerkan, Marg und Partner (gmp) entwirft neben Hamburgs boomender Partnerstadt Schanghai eine Hafenstadt für 300.000 Einwohner am Reißbrett: Luchao Harbour City. Und damit Hamburg vorne bleibt, können schon die Gymnasiasten hier Chinesisch lernen.

Um die erfreulichen Wirtschaftsbeziehungen nicht zu gefährden, hält sich der Senat mit Kritik an der chinesischen Menschenrechtspolitik zurück. Bei den China-Wochen 2002 waren Folter, Arbeitslagern und der Unterdrückung der Tibeter kein Thema. Gernot Knödler