Press-Schlag: Toppi in Wonderland
■ Trotz des 2:4 bei Ajax labt Bochums Trainer Klaus Toppmöller sich an seinem Fußball
Auch eine Stunde nach dem Spiel hatte Klaus Toppmöller noch diesen leicht umflorten, glückselig strahlenden Ausdruck auf dem Gesicht. Immer noch trug er den Schal, auf dem die Farben von Ajax Amsterdam und seines VfL Bochum vereint waren, wie ein Kind, dessen innigster Wunsch zu Weihnachten in Erfüllung gegangen war. Und selbst als er bekundete, daß er sich eigentlich „kaputtärgern“ würde, weil seine Mannschaft „zwei Tore hergeschenkt“ hatte, wollte der Glanz nicht weichen.
Zu sehr hatte der Trainer des VfL Bochum an jenem Abend im Stadion-Raumschiff vor den Toren Amsterdams die Anerkennung seiner Arbeit genossen. Oder darf man sagen, seines Werkes?
Der VfL Bochum, vor zwei Jahren von Toppmöller mit einem Sparetat in die Zweite Liga geschickt, ein wenig „Ajax zu kopieren“, hatte beim großen Vorbild technisch guten, mitunter reizenden Kombinationsfußball gespielt. Reis und Waldoch hatten sogar die Tore zu einer 2:0-Führung gegen eine Mannschaft erzielt, die in Amsterdam in der ganzen Saison erst eines erhielt.
Toppmöllers taktische Näherung ans Ajax-System war aufgegangen. Wie Olsen spielte er mit drei Angreifern und hatte damit die sonst stürmischen Verteidiger des Gegners gebunden. Wo Ajax allerdings mit einem Dreierblock verteidigt, stand bei ihm eine Vierer-Kette. „Nicht typisch deutsch“, wie Ajax-Trainer Morten Olsen lobte, „sondern modern“ hatte der VfL agiert. Nicht geholzt, gewühlt und in der Fußballarbeit versunken.
Nein, all das konnte Klaus Toppmöller niemand mehr nehmen. Selbst die vier Gegentore in nur zwölf Minuten würden das nicht relativieren, der Torwartfehler von Uwe Gospodarek beim vierten Treffer nicht und die Schlafmützigkeit der Bochumer Abwehrmauer beim schnell ausgeführten Freistoß nicht, der zum dritten Tor für Ajax führte.
Da waren sie halt übermütig geworden, hatten schlichtweg „zu offensiv“ gespielt, wie Olaf Schreiber meinte. Aber war selbst das nicht eine läßliche Sünde? Auch wenn Toppmöller keiner dieser beredten Philosophen des schönen Spiels ist, kein Finke oder Lienen, kein Olsen oder Menotti, so ist der Sozialdemokrat aus Rivenich an der Mosel doch ein Romantiker. Nicht, daß er das zugeben würde hinter dem Qualm seiner Zigaretten.
Wie er da aber in der Nacht stand und die Kälte nicht spürte, weil er das große Vorbild Ajax bestaunte und das „Highlight“, gegen die spielen zu dürfen, wofür man „sonst bezahlen muß“, da war er wie ein Fan, der ein Fußballfest erlebt hatte. Und sprach, dankbar für die Wunder des Fußballs, von der Klasse eines Dani und davon, daß Torwart van der Sar „in jeder Mannschaft Libero spielen“ könnte. Seinen Spielern ging es nicht anders.
Wie Olaf Schreiber etwa, der tapfer und geschickt gegen Rechtsaußen Babangida gespielt hatte, um ob dessen Schnelligkeit zu resümieren: „So einen habe ich noch gar nicht gesehen.“ Selbst Torwart Gospodarek, der doch immer ganz und gar unausstehlich ist nach Niederlagen, vor allem wenn ihn selbst etwas Schuld daran trifft, machte einen erstaunlich gelösten Eindruck. Ja, natürlich meckerte er über „taktisches Fehlverhalten“ in den dunklen zwölf Minuten, kam aber auch zu dem Schluß: „4:2 ist besser als 2:0.“
Was eben sagt, daß Toppmöller und die Seinen nicht nur staunende Landpomeranzen in der großen Fußballwelt waren, sondern sich fürs Rückspiel noch Chancen ausrechnen. Denn erneut hatten sie bewiesen, daß sie gegen Mannschaften, „die alles mit spielerischen Mitteln machen“ (Schreiber), viel besser aussahen als in der nüchternen Welt deutschen Ergebnisfußballspiels.
Dort, in der Bundesliga, stehen sie am Tabellenende. „Dieser 18. Platz ist eigentlich lächerlich“, meint Morten Olsen, denn spielerisch gehöre der VfL Bochum zu den fünf besten Teams in Deutschland. Da hatte Klaus Toppmöller erneut gestrahlt, mit seinem Bochum-Ajax-Schal um den Hals und seinen Träumen vom schönen Fußball vor Augen. Chr. Biermann, Amsterdam
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen