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Archiv-Artikel

Tonal über die Antarktis

Die Musiker Kathryn und Peter durchqueren den eisigen Kontinent. Doch fehlende Dramaturgie behindert die ausgezeichnete Blockflötenperformance im Düsseldorfer Forum Freies Theater

VON PETER ORTMANN

Manchmal wird dem Theater sein Bühnenraum zum Verhängnis. Besonders dann, wenn in anderen performativen Kunstsparten gewildert wird. Performances, Fernseh- oder Hörspiele benötigen und benutzen häufig andere Sphären, sind nur selten direkt für die Bühne adaptierbar.

Im Düsseldorfer Forum Freies Theater (FFT) hatte ein Musiktheaterstück seine Uraufführung, dem die eigene Hörspielversion (vor fast genau einem Jahr im Deutschlandfunk) zum Verhängnis wurde und deshalb dreidimensional scheiterte. Der Komponist Michael Wolters und der Regisseur Marcus Droß entwickelten das Bühnenprojekt „Kathryn und Peter durchqueren die Antarktis“. Die zentrale Grundlage der Arbeit bildet ein außergewöhnliches musikalisches Forschungsprojekt. Seit Jahren entwickelt das australisch-englische Duo Kathryn Bennetts und Peter Bowman mikrotonale Spielweisen für die Blockflöte, bei der immer minimalere Schrittfolgen zwischen einzelnen Noten ein stetig wachsendes Klangrepertoire erzeugen. Wolters und Droß konfrontieren diese extreme musikalische Forschung mit einem musiktheatralischen Handlungsrahmen, der geflöteten Reise von Kathryn und Peter und einer darin verwobenen Familiengeschichte, bei der Tim Bowman, der 17-jährige Sohn der beiden und Leadgitarrist der Punkband „Made in Britain“, in einer Südpol-Forschungsstation vergeblich auf seine Eltern wartet. Bei ihm befinden sich Polarforscher, die Sopranistin Claudia Kemmerer, die aus dem Expeditionstagebuch des englischen Polarforschers Robert Scott singt, der als erster Mensch den Südpol erreichen wollte, aber scheiterte. Eine Landkarte der Antarktis wurde für Kathryn und Peter systematisch in eine Blockflötenkomposition übersetzt, mit der der südlichste Kontinent am 70. Längengrad entlang 5.250 km durchspielt werden kann. Dabei spielt Blockflöte1 den geschnittenen Verlauf der Eislinie, Blockflöte2 den der Landlinie.

Die weiteren Parallelereignisse im Stück werden mit Bezügen zur fiktiven Antarktisdurchquerung in Beziehung gesetzt. Der Mitarbeiterchor der Stadtsparkasse singt live vor dem FFT ein „Farewell“, Windmaschinen heulen, Biwakzelte werden auf der Bühne aufgestellt und die Akteure durchqueren in Nichtechtzeit auf einer Videoleinwand angrenzende Foyer- und Sozialamtsbereiche und die Altstadt.

Doch die theatrale Dramaturgie der mehrschichtigen Handlung, mit Zwischentexten von Wolters und Droß, versagte. Es konnten keine Bilder, wie sie im Radio im Kopf der Zuhörer entstehen, generiert werden. Die Bühne glich eher der Studiosituation für die Hörspielaufnahme. Der Zuschauer war nur Beobachter, nicht Rezipient der einzelnen visualisierten Audiospuren. Die Akteure agierten nicht, sie spulten nur ihre musikalischen Tätigkeiten ab. Eine Choreografie der Handlungen fehlte. Das konterkarierte besonders die ausgezeichnete Flötenperformance, die als separiertes Kunst-Werk leider in dem dramaturgischen Wirrwarr kaum Wirkung zeigte. Was als Hörspiel funktionierte, ist auf der Bühne gescheitert.