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Tokio abgekoppelt

 ■ McCASH FLOWS ORAKEL

Die Weltbörsen haben im 1. Quartal 1990 trotz der dramatischen Ereignisse in Tokio einen bemerkenswert stabilen Trend gezeigt. Während der Tokioter Nikkei-Index für 225 führende Aktien in den ersten drei Monaten dieses Jahres um 8.935 Punkte oder 23 Prozent fiel, konnte der Deutsche Aktien-Index „DAX“ in Frankfurt 178 Punkte zulegen und gewann damit rund zehn Prozent.

Das Fiskaljahr 1990/91 hatte vorgestern an der Tokioter Börse mit einem noch schwärzeren Tag begonnen als das alte Fiskaljahr vergangener Woche geendet hatte: Der Nikkei, der bereits am Freitag scharf um 1.045,71 Punkte gefallen war, erlitt den zweitsteilsten Kurssturz der japanischen Börsengeschichte und sank um 1.978,38 Punkte auf einen Schlußkurs von 28.002,07. Nur im Oktober 1987, am Tag nach dem „Schwarzen Montag“ an der Wall Street, war der Index mit einem Rückfall um 3.836,48 Punkte noch stärker gesunken.

Verschärft wurde die Situation durch einen Bericht auf der Titelseite der größten und einflußreichsten japanischen Wirtschaftszeitung „Nihon Keizai Shimbun“, nach dem die großen japanischen Versicherungsunternehmen sich wegen der trüben Aussichten an der Börse von einem Großteil ihrer Aktien trennen wollten. Dementis der Betroffenen und dann auch des Finanzministeriums richteten wenig aus: Die wichtigsten institutionellen Anleger hätten bisher nur an ihren Aktienpaketen festgehalten, um am Ende des Fiskaljahres keine Verluste ausweisen zu müssen, hieß es an der Börse. Jetzt seien sie entschlossen, ihre Milliarden lukrativer anzulegen.

Ein noch tieferer Sturz des Kursniveaus wurde nur dadurch verhindert, daß praktisch niemand kaufen wollte. Dadurch blieben viele Aktien ohne Notierung. „Das geringe Handelsvolumen war andererseits auch das einzig tröstliche an diesem Montag“, sagte ein Broker. Das erneute Kursdebakel führte aber in Europa nur zu unbedeutenden Kurseinbußen. DAX verlor am Montag 1,9 Prozent seines Wertes.

„Die internationalen Börsen haben sich von Tokio abgekoppelt“, behaupten führende Wertpapieranalysten in New York. Sie verweisen in diesem Zusammenhang auf die „angesichts der astronomischen japanischen Börsenkurse“ längst überfällige Korrektur in Tokio und den Höhenflug des Dollar gegenüber dem Yen. Der japanische Markt schien anders als die europäischen und amerikanischen Börsen durch das enge Zusammenspiel von Finanzministerium, Banken, Großunternehmen und sonstigen institutionellen Anlegern lange gegen jeden Abwärtstrend gefeit. „Dieses Märchen können wir angesichts eines Wertverlustes von mehr als einer Billion Dollar in Tokio innerhalb von drei Monaten vergessen“, meinte Kenneth Arena, ein erfahrener amerikanischer Broker am Montag.

Neben Frankfurt war die Wiener Börse im 1. Quartal ein Star. Die Kursgewinne betrugen im Schnitt 45 Prozent, errechnete die Morgan Stanley Capital International. Das ausländische Kapital sieht in deutschen und österreichischen Werten die besten Möglichkeiten, die sich aus der Vereinigung und dem erhofften Investmentboom in Osteuropa ergebenden Chancen zu nutzen.

Dramaturg der heutigen MacCash-Kolumne: 'dpa' -Korrespondent Helmut Räther, Tokio

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