Tobias Burdukat über Jugendarbeit: Wir müssen was tun für den Wandel

Sozialarbeiter Tobias Burdukat im Gespräch über die Auswirkungen der derzeitigen Krise auf junge Menschen und Veränderung durch Aktivismus

Tobias Burdukat bei der Verleihung de Medienpreises "Goldenen Henne" im Jahr 2016.

Im Jahr 2016 wurde Tobias Burdukat das "Dorf der Jugend" mit einer Goldenen Henne ausgezeichnet Foto: Jan Woitas/dpa

Interview von SHOWMIK KHAN

taz am wochenende: Tobias, warum beschäftigst du dich mit Jugendlichen und geflüchteten Menschen in Grimma?

Tobias Burdukat: Aus zwei Gründen. Der persönliche hat viel mit meiner Jugend zu tun. Da waren wir – Punks auf dem Land – und die Menschen mit Migrationshintergrund das Feindbild und sind es vielerorts noch. Seitdem denke ich die zwei Gruppen zusammen. Der andere Grund basiert auf meiner professionellen Erfahrung.

Durch meine Arbeit in der emanzipatorischen Jugendarbeit und durch Lehraufträge an Hochschulen ist deutlich geworden, dass wir von zwei ähnlichen Phänomenen der gesellschaftlichen Stigmatisierung sprechen: Jugendliche wie auch geflüchtete Menschen haben keinen wirklichen Freiraum, keine Lobby: Ohne diese können sie keine Forderungen durchsetzen und sich nicht emanzipieren. Das möchte ich ändern.

Was sind für dich neue Wege in der Jugendarbeit?

Das sind eigentlich die ganz alten, als Jugendarbeit nicht Teil von sozialer Arbeit war. Wege, die mehr an Subkulturen wie Punk und Hardcore erinnern oder näher an der Student*innen- und der emanzipatorischen Frauenrechtsbewegung dran sind. Die braucht es wieder. Die heutigen sind zu weit weg von den Lebensrealitäten der Jugendlichen, es sind die Wege der Erwachsenen, die sie für die Jugend denken und wollen.


Wie wirkt sich die Pandemie auf die Jugendlichen in Grimma aus?

Was fehlt sind die Veranstaltungen, die man* gemeinsam mit Jugendlichen plant und durchführt. Das macht die emanzipatorische Arbeit schwierig, denn die braucht reale Begegnungen. Viele Jugendliche haben keinen Bock was online zu machen, die wollen lieber gemeinsam eine Skaterampe bauen und das geht gerade nicht. Das lässt sich auch nicht nachholen.

Es wird eine Generation der heute 14- bis 18-Jährigen geben, denen etwas fehlt, was sie nicht nachholen können: der erste Sommer nach der Schule und das Gefühl von grenzenloser Freiheit – futsch, vorbei, nicht gefühlt. Das ist bitter.

Welchen Wandel konntest du bei den Jugendlichen der letzten Jahre feststellen?

Jemand hat zu mir gesagt: „Die aktuellen Jugendlichen sind doch immer die schlimmsten Jugendlichen aller Zeiten.“ Aus der Perspektive der Erwachsen glaubt man* Unterschiede ausmachen zu können. Im Kern hat sich aber nichts verändert.

Allerdings gab es eine Zeit, in der Jugendliche wirklich langweilig waren: In Westdeutschland begann das Ende der 1990er in Ostdeutschland Mitte, Ende der 2000er Jahre. Da war nichts. Keine politische Aktion und Attitüde, keine Jugendbewegungen einfach nur neoliberale Angepasstheit. Das hat sich durch Fridays for Future, Ende Gelände und Antirassismus-Bewegungen bundesweit wieder gewandelt und wandelt sich noch.

Und: A change is gonna come?

Dieses Lied entstand in den 1960er Jahren und bezieht sich auf die Diskriminierung von schwarzen Menschen in den USA. Es hat sehr lange gedauert, bis die USA einen schwarzen Präsidenten hatten. Wenn man* auf #blacklivesmatter schaut, dann wissen wir, dass weiße Cops immer noch wegen rassistischer Motive willkürlich Polizeigewalt anwenden, oder Footballstars nicht mehr spielen können, weil sie nicht in Demut die Nationalhymne singen.

In Myanmar kracht es, Nordkorea baut Atombomben, Weißrussland… Ja, „A Change is Gonna Come“ und „Another World is Possible“, aber wir müssen etwas dafür tun.

Tobias Burdukat spricht auf dem taz lab am 24. April 2021 auf dem Podium Ostdeutschland in Bewegung um 14 Uhr im Stream Glashaus.