: Titan-Zerhackung
■ Gehört: „Mouse on Mars“ und die Freuden niederer Bedürfnisse
„Wir haben“, so bemerkte Jan St. Werner, eine Hälfte von Mouse on Mars, im Vorfeld zum jüngsten Album, „Inhalt durch Aufwand ersetzt.“ Es zeigt sich freilich auch im neunten Jahr der Band kein Defizit: Breakbeats und Basspatterns, Fiepsen und Bollern, Störgeräusche und Materialfehler, sprödes Elektroakustik-Versatzstück und zuckersüße Melodiescherbe – eine gleichbleibend hohe Ereignisdichte lässt alle Koketterie mit eventueller Materialschwäche verstummen.
Tritt die Band in dreiköpfiger Rockvariante auf, ist Mitgerissenwerden wahrscheinlich – und die behagliche Langeweile des letzten Electronic-Listening-Events schnell vergessen. Um den brillanten Schlagzeuger (und Sänger) Dodo Nkishi erweitert, schreiben MoM ihren elektrifizierten Breakbeat- und Bleep-ROCK in Großbuchstaben; sie rufen die Aufbruchstimmung in Erinnerung, die geschraubte Roland-303-Sounds und – nach langem Hinauszögern – das Zurückfallen in mitnickbare Ausgangsrythmen bedeuten können, um gleich darauf mit verzerrten Gitarren und Schlagzeugsoli zu kontern. Rock/Pop in Scherben gegangen und wieder aufgelesen, „eine Titan-Zerhackung“ (Werner).
Vor schwitzig-brodelnd ausverkauftem Hause spielten MoM am Sonntagabend gut gelaunt morphenden Brillenträger-Big-Beat und Kunststudenten-Krach, illus-triert durch Diaprojektionen, die sich zumeist um das Gewusel asiatischer Metropolen drehten. Kunsteisnebel (in Maßen), Stroboskopbeleuchtung (an ausgewählten Stellen) und Zugaben (derer zwei) rundeten die Veranstaltung rock-adäquat ab – bestes Entertainment und erfrischend unangestrengt, tja, moderne Musik. Alexander Diehl
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