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Tischkultur bröckelt

■ Die Silberschmiede Koch & Bergfeld wird zusammengeschmolzen

Wer kauft heute noch so einfach ein neues Silberbesteck, gar mit Sardinenheber und Kaviarschaufel? Selbst Führungskräfte sind verunsichert, weiß der Geschäftsführer der Bremer Silberschmiede Koch & Bergfeld, Klaus Berthold. Ein 24-teiliges Besteck für sechs Personen kostet schließlich rund 2.500 Mark. Und wer erkennt denn schon so genau, ob ein Besteck durch und durch aus Silber ist oder nur versilbert? Dazu muß man schon dezent den Kaffeelöffel ein Weilchen in der Tasse stehen lassen - wird er schnell warm, ist's Silber.

Der Besteckmarkt liegt darnieder. Besonders gebeutelt sind mit 30 Prozent Umsatzrückgang 1993 die Silberbestecke. Das trifft die größere Bremer Silberschmiede Wilkens genauso wie die mittelständische Silberschmiede Koch & Bergfeld im Kirchweg in der Neustadt. Während Wilkens fast ein Fünftel seiner Leute in die Arbeitslosigkeit schickte, sollte Koch & Bergfeld jedoch gleich ganz geschlossen werden. So hätte es jedenfalls die Eigentümerin Villeroy & Boch im saarländischen Mettlach am liebsten gehabt.

Doch da kannte man die Silberarbeiter wenig. Die gehören nämlich zu den Gründern der IG Metall und haben ein gehöriges Arbeiter- und Standesbewußtsein. Noch in den 60ern sollen sie mit Schlips und Kragen an ihren Werkbänken gestanden haben.

Kurzum: Der derzeitige Verhandlungsstand sieht schon viel besser aus. Von den 115 Beschäftigten werden wohl 55 in der Besteckabteilung und 22 in der Abteilung für sonstige Silberwaren wie Sektkübel, Pokale oder Ostereier bleiben können. Dieser Bereich wird am wenigsten leiden - hier sitzen die gelernten Silberschmiede, die Silberstücke nach Maß hämmern und treiben können - zum Beispiel den Fußball-Länderpokal.

Einst war die Firma Villeroy & Boch als Retterin vor die Bremer getreten und hatte sie aufgekauft. 1989 nämlich hinkte der Bremer Maschinenpark dem Standard um zwei Generationen hinterher: Keine Maschine hatte einen eigenen Antrieb, alle zusammen wurden über einen einzigen Transmissionsriemen angetrieben. Villeroy & Boch investierten erstmal, zum Beispiel in eine abwasserfreie Versilberungsstraße.

Doch auch beim Stammunternehmen Villeroy & Boch ist es mittlerweile mit der Herrlichkeit vorbei: Villeroy & Boch hat nicht nur bei der Tischkultur Arbeitsplätze gestrichen (1.300), sondern sogar bei den scheinbar so krisensicheren Fliesen (1.500).

Ob das die Männer tröstet, die in Bremen aus Silberblechen die Besteckrohlinge schneiden, die die Laffe des künftigen Löffels breitwalzen, die Gabelzinken fein schmirgeln und die Schöpfkellen zusammenlöten? Der wegbrechende Markt sei doch gar nicht die alleinige Ursache der Misere, sagt Betriebsrat Bernhard Kochs. „Management-Mängel“, fügt er knapp hinzu. Viel mehr will er nicht sagen, schließlich verhandelt man noch. Auf dem Tisch stapeln sich die Wälzer über das Thema Sozialplan. Aber wie oft habe der Betriebsrat die Geschäftsleitung gemahnt, in solch kritischen Zeiten mehr und bessere Außendienstleute einzustellen, sagt der Betriebsrat dann doch. „Man muß in einer schwierigen Marktsituation eben gezielter auf die Kunden zugehen - wir verkaufen ja schließlich nicht bei Karstadt.“ Christine Holch

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