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berliner szenenTinnitus auf Türkisch

Ohrenrauschen yok

Ohrengeräusche sind ein weit verbreitetes Leiden, vermeldet das Magazin meiner Krankenkasse. Ein Glück – ich falle ungern durch unpassende Krankheiten auf. Und da die Mediziner auch leben sollen, gehe ich regelmäßig mit einem Tinnitus zum Halsnasenundohrenarzt. Leider fiept und schrillt es bei mir aber immer dann, wenn der zuletzt gewählte Arzt seinen Ruhetag hat.

So lande ich jedesmal bei einem anderen und bin auf diese Weise schon durch die halbe Stadt gekommen. In Pankow musste ich russische Vokabeln hersagen, im Prenzlauer Berg wollte der Arzt mir sofort die Nasenscheidewand versetzen, in Schöneberg hielt man das Ohrensausen für eine fixe Idee und empfahl mir warme Fußbäder.

In Neukölln werde ich wohl bleiben und dies nicht nur, weil man östlich des Hermannplatzes keine Ruhetage kennt, die Wartezeiten gepflegt und die Praxisphotos schwarzweiß sind: Hier weiß man noch um den Zauber und die Heilwirkung unverständlicher Worte. Ist auch das Latein des Arztes ähnlich abgeschliffen wie sein Südwestdeutsch und bis zur Verständlichkeit entstellt, so sprechen doch seine Hilfen noch in mir fremden Zungen. Mit sanften Worten werde ich auf die Liege gelegt, auf Türkisch wird über die geeignete Kanüle debattiert und die Infusion gerichtet.

Eine große Ruhe breitet sich in mir aus: Waren Sprecher dieser Sprache nicht schon große Heiler, als man in unseren Breiten noch mit Pferdemist kurierte? Entspannt schau ich der Flüssigkeit beim Tropfen zu. An der Anmeldung setzten die Hilfen ihre Unterhaltung fort: ein sanftes Rauschen zauberhafter Worte. Die Flasche ist leer. „Den Wattebausch fest drücken“, ein letztes Horchen: Ohrenrauschen yok.CARSTEN WÜRMANN

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