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Tierschutz-Vereine kämpfen um Spendengelder

Bundesdeutsche Tierschutzvereine bekämpfen sich vor den Gerichten/ Gesellschaft für Tierrechte: „Es geht nur noch um die Kohle“ In den expandierenden Spendenmarkt um „Waldi“ und „Pussi“ steigen immer mehr Vereine ein / Feindliche Übernahme gescheitert  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Karlsruhe/Frankfurt (taz) - In den Räumen der grünen Rathausfraktion in Karlsruhe war ein Dackel der stumme Vertreter der Interessen jener Lebewesen, um die es der „Gesellschaft für Tierrechte“ (GfT) angeblich geht. Mit selbstgebastelten Abrechnungsunterlagen und mit dem Vereinsanwalt als „Flankenschutz“ angereist, wollte der GfT -Vorsitzende Hanno Raiskup am Montag die Öffentlichkeit von der Lauterkeit seiner Tierschutzorganisation überzeugen und im Gegenzug vom „großen Krieg“ berichten, der zur Zeit auf dem Mitleids- und Tränendrüsenmarkt tobe.

Angefangen habe alles im Februar des vergangenen Jahres, meinte Raiskup. Damals seien Andreas Wolff und seine Leute „mafiamäßig“ bei der Jahreshauptversammlung der GfT in Karlsruhe einmarschiert. Der prominenteste Tierbefreier der Republik von der Konkurrenzorganisation „animal peace“, der 1982 einen Brandsatz auf den Berliner „Mäusebunker“ geworfen hatte, wollte die GfT im Sturm erobern und in Personalunion Vorstandsvorsitzender von „animal peace“ und GfT werden. Die Karlsruher „Tierfreunde“ waren nämlich bei der Hatz auf Spendengelder und Mitgliedsbeiträge binnen Jahresfrist zum lästigen Mitbewerber avanciert. Doch Wolff, der mit professionellen Drückern angereist war, die alle ausgefüllte Mitgliedsformulare der GfT in der Tasche hatten, scheiterte bei dem Versuch, die GfT zu schlucken, an deren Satzung. GfT -Chef Hanno Raiskup holte, „nachdem die Situation immer bedrohlicher geworden war“ (Raiskup), die Polizei. Die Jahreshauptversammlung der Tierfreunde aus dem Badischen war geplatzt, doch Raiskup blieb für ein weiteres Jahr Vorsitzender.

Andreas Wolffs Organisation „animal peace“ und die GfT von Raiskup sind nur zwei von rund 500 Vereinen, die sich bundesweit dem Tierschutz verschrieben haben. GfT -Pressesprecher Keller bestätigte am Montag auf einer Pressekonferenz in Karlsruhe, was seriöse Tierschützer schon lange beklagen: „Es geht nur noch um die Kohle.“ Doch auch die angeblich „saubere“ GfT des Hanno Raiskup arbeitete mit professionellen Drückerkolonnen, die dem Verein Mitglieder und Spendengelder zutreiben sollten. Und die straff organisierten Klinkenputzer leisteten ganze Arbeit: In nur einem Jahr führten die Drücker einer Karlsruher Agentur der Gesellschaft etwa 3.000 neue Mitglieder zu - die Einnahmen der GfT stiegen von wenigen Tausend auf exakt 323.857,09 Mark. Den professionellen Drückerkolonnen sei inzwischen gekündigt worden, erklärt der Anwalt der GfT.

Als der 'Stern‘ im Juni 1988 dem GfT-Vorsitzenden Raiskup „Bereicherung und Betrug“ vorwarf, zog Raiskup mit einem Unterlassungsbegehren vor Gericht - und verlor in zwei Instanzen. Raiskup selbst hält das Urteil für das Endergebnis eines lange vorbereiteten Komplotts gegen seine „erfolgreiche Organisation“, die sich erst in den letzten Monaten mit einer Kater-Kastrationsaktion über Karlsruhe hinaus einen Namen gemacht habe. Wer wollte, konnte auf Kosten der GfT seinen „Mao“ oder sein „Peterle“ bei einem Tierarzt kastrieren lassen, denn „30 Millionen Katzen in zehn Jahren will hier niemand haben“. Rund 400 Personen im Großraum Karlsruhe hätten dankbar ihre Kater auf GfT -Gutschein zum „operativen Eingriff“ gebracht.

In die „Kampagne“ gegen die GfT hat sich inzwischen auch der baden-württembergische Landesvorsitzende des Deutschen Tierschutzbundes eingeschaltet. Gerhard Käfer vom Deutschen Tierschutzbund wirft dem GfT-Vorsitzenden vor, sich als Herausgeber und Chefradakteur der GfT-Zeitschrift 'Neue Tier -Zeitung‘ aus dem Spendentopf heraus selbst zu bezahlen. Für den praktischen Tierschutz falle bei der GfT kaum noch etwas ab. Raiskup wies die Vorwürfe am Montag zwar zurück, doch der GfT-Chef will nicht offenlegen, wie er seinen Lebensunterhalt finanziert. Der Deutsche Tierschutzbund, so Raiskup, neide der GfT lediglich den Erfolg und versuche, „unsere Sammelbüchsen aus den Bäckereien zu verdrängen“. Um den Vorwürfen auf finanzielle Manipulationen entgegenzutreten, legte Raiskup eine „Kostenstatistik '88“ vor. Aus der geht hervor, daß von den 323.857,09 DM Einnahmen exakt 94.438,54 DM in den „aktiven Tierschutz“ geflossen sind. Die Verwaltungskosten der GfT betrugen dagegen 116.933,95 DM. Eine „gesunde Relation“, wie Raiskup erklärte. Raiskup selbst ist vor Monatsfrist auf einer Mitgliederversammlung erneut als Vorsitzender der GfT bestätigt worden. Auf der Versammlung anwesend waren 14 von 3.000 GfT-Mitgliedern - und an den Vornamen seiner gewählten Stellvertreterin konnte sich Raiskup „ad hoc nicht erinnern“.

An der „Tierschutzfront“ gibt es allerdings nicht nur Zoff um die GfT. Alleine im Großraum Karlsruhe tummelten sich laut Deutschem Tierschutzbund zwölf Organisationen, die dem Tierheim des Tierschutzbundes notwendige Spendengelder entziehen würden. Die neueste „Firma“ ist der „Aktionskreis Tier- und Naturschutz“. Gegen dessen Gründer Harry Rall habe die Staatsanwaltschaft bereits zweimal wegen Betrugsverdachts ermittelt, berichteten die 'Badischen Neuesten Nachrichten‘. Rall war lange Zeit ein enger Mitarbeiter von GfT-Chef Hanno Raiskup. Auch in München tobt seit Jahren der „Krieg um die Kohle“ (GfT-Sprecher Keller). Der Tierschutzverein wirft dem dortigen „Deutschen Tierhilfswerk e.V.“ vor, Hunderttausende von Mark zweckentfremdet zu haben. Das „Tierhilfswerk“ wiederum beschuldigt den Tierschutzverein, sich an „Grundstücksspekulationen“ zu beteiligen und mit australischen Dollaranleihen Millionen gescheffelt zu haben.

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