: Tiefgang mit Seltenheitswert
■ 1995 mehr Umschlag erreicht – trotz noch nicht vertiefter Elbe
Die Elbe ist offenbar doch nicht zu niedrig: Nur ein einziges Schiff, die Seiko Maru, nutzte im vergangenen Jahr die maximale Fahrrinnentiefe des Flusses aus. Das geht aus einer Statistik des Schiffsmeldedienstes Hamburg (SMD), der alle ein- und auslaufenden Schiffe registriert, für 1995 hervor.
Zwölf Meter ist der höchst mögliche Tiefgang, den Schiffe haben dürfen, um jederzeit – unabhängig von Ebbe und Flut – in den Hamburger Hafen ein- und auslaufen zu können. Schiffe, die wegen höherer Ladung einen größeren Tiefgang erreichen, können nur zu bestimmten Zeiten, also tideabhängig, den Hafen ansteuern oder verlassen. Aber auch hier sind Grenzen gesetzt: Selbst bei günstigsten Flutverhältnissen liegt der maximale tideabhängige Tiefgang bei 12,80 Meter. Das sei zu niedrig, behauptet die Wirtschaftsbehörde und treibt daher entgegen aller besseren Argumente die Elbvertiefung voran.
1995 aber, das belegt die Statistik des SMD, hat kein einziges Containerschiff den Hamburger Hafen mit mehr Ladung als 12,60 Meter Tiefgang verlassen. Die Seiko Maru – das einzige Schiff, das die maximalen 12,80 Meter erreichte – war mit Massengut beladen und fuhr am 13. Juni 1995 von Hamburg in Richtung Brasilien.
Die nicht ausgenutzte Fahrwassertiefe bedeutet aber zugleich einen wirtschaftlichen Verlust für die Reeder: „Je nach Schiff und Bauart bedeutet ein Spielraum von zehn zusätzlichen Zentimetern bis zu 600 Tonnen mehr Ladung, also 60 bis 100 Container“, hat Rainer Erbe, der Sprecher der Wirtschaftsbehörde, bereits Ende August ausgerechnet.
Die Seeschiffahrts-Unternehmen scheint das wenig zu stören: Im Jahr 1995, auch das belegt die Auflistung des SMD, hatten nur 24 auslaufende Schiffe überhaupt Tiefgänge, die Rücksicht auf den Hochwasserstand verlangten. Alle anderen begnügten sich mit Ladungen, die ein tideunabhängiges Auslaufen zuließen. Ohne dabei wirtschaftliche Einbußen zu verbuchen: „Im Durchschnitt“, hat der wirtschaftspolitische Sprecher der GAL, Alexander Porschke, nachgerechnet, „ist der Containerumschlag in TEU 1995 um 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen“. Der Hafen habe „dabei gegenüber den Wettbewerbshäfen mit sechs Prozent den höchsten Zuwachs und damit das beste Umschlagsergebnis aller Zeiten zu verzeichnen“ gehabt. Die Wirtschaftsbehörde beeindruckt das wenig. Verbissen hält sie an der rund 255 Millionen Mark teuren, weiteren Vertiefung der Elb-Fahrrinnen fest. Heike Haarhoff
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