: Tiefes schwarzes Loch Niedersachsen
■ Schröder verordnet rigorosen Sparkurs / 2 Mrd Defizit erwartet
Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) hat die SPD-Landtagsfraktion auf einen strikten Sparkurs eingeschworen. „Wir sind am Beginn einer Spar-Operation und nicht am Ende“, sagte Schröder am Donnerstag vor der Fraktion während ihrer Klausurtagung in Göttingen. „Zuwächse sind nicht in Sicht. Wenn es sie trotzdem geben sollte, müssen sie zur Rückführung der Verschuldung verwendet werden und nicht zur Finanzierung neuer Aufgaben.“ Der Sparzwang ergibt sich aus neuen Finanzierungslücken im Landeshaushalt. Die SPD-Fraktion rechnet mit einem Defizit zwischen anderthalb und zwei Milliarden Mark für den Landeshaushalt 1996.
Als größtes Risiko für den Landeshaushalt bezeichnete Schröder die noch nicht genau kalkulierbaren Belastungen aus der Bonner Politik. Die Sozialdemokraten rechnen mit zusätzlichen Kosten zwischen einer halben und zwei Milliarden Mark. Die Steuergesetze des Bundes für 1996 dürften die Länder aber insgesamt nicht über zwölf Milliarden Mark belasten: „Das ist die Schmerzgrenze“, sagte Schröder. In diesem Zusammenhang kritisierte er scharf die SPD-Bundestagsfraktion. Auch die SPD-Finanzpolitiker in Bonn würden sich im Einfordern von Leistungen überbieten, ohne zu sagen, wie diese finanziert werden sollen.
Schröder kündigte an, Niedersachsen werde gegen eine solche Politik im Bundesrat Widerstand leisten. „Wir stehen für nichts und niemanden ungeprüft zur Verfügung.“ Die geplanten Änderungen im Steuerrecht dürften sich nicht nach dem politisch Gewollten richten, sondern danach, was für die Länder finanziell verträglich sei.
Der Ministerpräsident warnte die Abgeordneten davor, auf eine finanzielle Entlastung durch eine günstige konjunkturelle Entwicklung zu hoffen. „Es läuft nicht so wie von Waigel, Kohl und Co. prognostiziert.“ Im ersten Quartal 1995 seien die Steuereinnahmen um 175 Millionen Mark hinter den Erwartungen nach den letzten Steuerschätzungen zurückgeblieben. Der mit dem Doppelhaushalt 1995/96 eingeschlagene Sparkurs müsse verschärft fortgesetzt werden. Schröder schloß eine Ausgabensperre für einzelne Bereiche der Landesregierung nicht aus. Entschieden werde, wenn die Steuerschätzung vorliege. An ein baldiges Ende der Finanzkrise glaubt Schröder nicht. dpa
Wenn der Sparkurs fortgesetzt werde, „sind wir am Ende der nächsten Wahlperiode durch.“
Neben den erwarteten Folgen aus der Bonner Gesetzgebung muß die Landesregierung im Nachtragshaushalt 1996 auch das Defizit aus dem Haushalt 1994 in Höhe von 540 Millionen Mark decken. Dazu kommen neue Kosten wegen der 3,2prozentigen Tariferhöhung im Öffentlichen Dienst. In der bisherigen Kalkulation war nur eine Erhöhung von 1,7 Prozent vorgesehen. Mehrkosten in dreistelliger Millionenhöhe sind die Folge. dpa
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