: „Tief religiös und kompromisslos mutig“
Heike Makatsch über ihre atheistische Erziehung und die Begegnung mit Poliokranken zur Vorbereitung auf ihre Rolle
taz: Frau Makatsch, „Margarete Steiff“ ist ganz einer Epoche, mehr noch aber einer Region verhaftet. Was war Ihnen während der Dreharbeiten fremder, das schwäbelnde Idiom oder der kalvinistische Habitus?
Heike Makatsch: Letztlich ist einem eine Rolle immer fremd, deswegen ist es ja eine Rolle. Trotzdem war es in diesem Fall schon ein ziemlich weiter Weg, zurück in der Zeit, aber auch weg von den eigenen Lebenserfahrungen. Ich bin atheistisch erzogen worden, diese absolut ergebene Frömmigkeit hätte ich lange nicht verstanden und vielleicht nicht einmal akzeptiert. In der Figur der Margarete Steiff sind aber gerade diese Konfrontationen interessant, diese konservative, tief religiöse und gleichzeitig kompromisslos mutige, emanzipierte Frau.
Überhaupt bleibt der Film von Xaver Schwarzenberger nahe bei sich selbst und missversteht sich nicht als Metapher auf heutige Verhältnisse.
Ich habe es ja schon angesprochen, diese Geschichte braucht ihre spezifische Zeit. Sie ist weder ein Kommentar auf die Krisen der Gegenwart, über Unternehmensgründer oder so was, noch ein Problemfilm über eine körperliche Behinderung.
Ganz im Gegenteil spielen Sie die an Polio erkrankte Margarete mit einer trotzigen, oft ironischen Lakonie.
In der Vorbereitung auf die Rolle habe ich an Polio erkrankte Menschen kennen gelernt und gemerkt, dass es da keine Probleme für einen Problemfilm gibt. Auch die Tagebücher von Margarete Steiff erzählen kein Selbstmitleid, da wusste eine ganz genau, was sie will. Und sie konnte ihre Schwäche, die Behinderung, distanziert und manchmal arg bissig beschreiben.
Für die Distanz zwischen Heike Makatsch und Margarete Steiff stehen der Rollstuhl, die strengen Zöpfe, das dezente Schwäbeln. Bei einem Film wie „Keine Lieder über Liebe“, der im vergangenen Oktober in die Kinos kam, heißt es dann wieder, Heike Makatsch spiele sich selbst. Was gefällt Ihnen eigentlich besser?
Ich könnte jetzt sagen, genau das macht einen Film wie „Margarete Steiff“ einfacher. Aber dann würde ich mich für ein Problem der Zuschauer entschuldigen, die eine Schauspielerin mit einem Leinwandcharakter verwechseln, nur weil beide zufällig die gleiche Frisur oder den selben Musikgeschmack haben.
INTERVIEW: C. NIEDENTHAL