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Theater der Gangster und Ganoven

■ Woody Allen sentimentalisiert in Bullets over Broadway die zwanziger Jahre

In einer Begleitnotiz bittet Woddy Allen seine, wie er schreibt, „Freunde von der Presse“, doch bitte nicht die ganze Geschichte des neuen Films Bullets over Broadway zu verraten. Tun wir ihm den Gefallen, wir hatten es sowieso nicht vor. Denn erstens ist für die vielen erfüllten Erwartungshaltungen und überraschenden Wendungen, die die Story bereithält, hier sowieso nicht der Platz, zweitens gibt es über den Film Interessanteres zu erzählen als die Handlung Und drittens können diejenigen, die ihre Kinoerfahrungen vom Plot dominieren lassen, nur den Spiegel dieser Woche aufzuschlagen, wo Helmut Karasek wacker nacherzählt sowie eine solide Analyse betreffs der Fragestellungen gibt: Was will uns der Regisseur sagen und wie schaffe ich es, in einer Woody Allen-Kritik zu zeigen, daß ich auch etwas von Billy Wilder verstehe?

Zur Handlung also nur soviel: Sie spielt am New Yorker Broadway der 20er Jahre, bringt das Theater- und das Gangstermilieu zusammen, und Woody Allen – schließlich nicht ganz uninteressant zu wissen – spielt selbst nicht mit. Die Story ist hintergründig und verwoben, wiewohl auch etwas weit weg, prägender sind allerdings die in sie eingewobenen Momente. Bullets over Broadway ist ein Film der sorgfältig inszenierten Anekdoten, der liebevollen Details. Das fängt beim Licht an und hört bei der Figurenführung noch lange nicht auf. Woody Allen will die Zuschauer (ähnlich wie bereits in Radio Days) mitnehmen auf eine „sentimental journey“ in die goldene Zeit des Broadway und ihnen einen augenzwinkernden Blick hinter die Kulissen des Glamour gewähren. Der Meister ruft, der Zuschauer folgen – angelockt von stimmigen Einzelheiten und bestens unterhalten vom ironischen Grundton der Geschichte.

Man achte einmal darauf, wie der Leibwächter Cheech (Chazz Palminteri) Bier trinkt. Er faßt das Glas nur mit den Fingerkuppen an, führt es mit einer schnellen Bewegung zum Mund, trinkt einen kleinen Schluck und setzt das Glas mit einer akuraten Bewegung wieder ab. Eine Kleinigkeit nur, aber die ganze Figur steckt in dieser Geste – jemand, der mit solcher Sorgfalt die Dinge behandelt, kann kein schlechter Mensch sein. Oder man achte auf die hinreißende Nebengeschichte von dem verfressenen Schauspieler Warner Purcell (Jim Broadbent). Wie sein Fettwerden so ganz nebenbei in Szene gesetzt ist, das ist schon große Klasse. Oder das Gesicht, das der Möchtegerndichter John Cusack (David Shayne) macht, als ihm schwant, daß er doch nicht der große Künstler ist, für den er sich hält ... es gibt eine Vielzahl solcher großen Kleinigkeiten.

Es ist verführerisch, aber unpassend, den Film mit Vokabeln wie „Meisterwerk“ zu belegen. Der Film ist gelungen, und es steckt, jawohl, Weisheit in ihm. Das reicht ja wohl auch.

Dirk Knipphals

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