piwik no script img

The Addiction

Lili Taylor, zuletzt in I shot Andy Warhol radikale Feministin und Attentäterin, gibt wieder den weiblichen Kamikaze. Als vampiristische Philosophiestudentin Kathleen macht sie sich in The Addiction voll Blutdurst daran, Akademiker von der Theorie zur Praxis zu beißen. Für Regisseur Abel Ferrara hat das moderne Blutsaugertum mehr mit den Massenmorden des 20. Jahrhunderts als mit hohläugigen transylvanischen Fürstengeschlechtern zu tun.

Die gewissenhafte Studentin Kathleen steht im Seminar vor Bildern von KZ-Opfern und von US-amerikanischen Massakern in Vietnam. Auch der Film ist in atmosphärischem Schwarzweiß gedreht. Auf dem Heimweg wird Kathleen von einer eleganten Vampirsfrau (Annabella Sciorra) angeknabbert. Und fortan heideggert sie mit düsterem Blick und Grabesstimme drauflos. Unterfüttert von reichlich Sentenzen von Dante, Baudelaire oder Nietzsche, philosophiert die neugeborene Untote über das unfaßbare Böse in der menschlichen Natur.

Konkret drückt sich die Infektion mit dem Bösen als Sucht nach menschlichem Blut aus. Blut als Droge. Der rote Saft verschafft der Beißerin wider Willen übermenschliche Coolness und mehr Durchblick in der Hölle auf Erden. Doch dann wird sie von der Gier nach dem Stoff beherrscht. Kathleen wird Süchtige, Dealerin und Verführerin, Erlöserin und Verdammte mit Beißhemmung bei Priestern.

Auch in The Addiction kann es Abel Ferrara nicht lassen, Christus am Kreuz ins Spiel zu bringen. Die Mixtur aus Drogen- und Aids-Metaphern, einer fragwürdigen bis unappetitlichen Opfer/Täter-Rabulistik, Greuelbildern von Massakern und katholischem Sado-Maso wird jedoch nur durch Lili Taylor erträglich. Mit konzentriertem Blick streunt sie durch die schmutzigen Straßen, immer auf der Suche nach dem nächsten Opfer. Adrette Studis schmecken besonders fein.

Birgit Roschy Abaton

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen