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Thatchers neues Gesicht

■ Die Regierungsumbildung in Großbritannien

Die Regierungsumbildung - darauf wird jedenfalls gepocht ist reine Formsache. Das heißt, die Botschaft muß klarer vermittelt werden: Es gibt noch zu viele Leute, die die Weisheit und Wohltätigkeit der derzeitigen Regierung nicht zu schätzen wissen. Das klingt kurios - schließlich verbreitet die überwältigende Mehrheit der Massenmedien die konservative Botschaft nur zu gern und oft auf Kosten anderer Stimmen.

Aber wir sollten uns nicht von Thatchers Rhetorik täuschen lassen. In Wahrheit sind die Vorhaben der Konservativen nur zu klar und ihre Widersprüche offensichtlich. Es gibt beispielsweise keine größere Kluft als die zwischen Thatchers so geliebten Marktkräften und deren Konsequenzen für die Umwelt. Ähnlich steht Thatchers schriller Nationalismus quer zu den Gesetzen freier Märkte: Angesichts transnational operierender Multis, denen lokale Politik vollkommen gleichgültig ist, ist ihre heroische Verteidigung britischer Souveränität ein Widerspruch. Insofern ist die Ernennung neuer Leute für die kritischen Positionen, besonders wenn sie für ihre liberalen Neigungen bekannt sind, nicht zur Klärung der Vorhaben der Regierung gedacht, sondern um diese noch mehr zu verdunkeln, die Widersprüche einzudämmen, Zeit zu gewinnen, um die Konservativen über die nächsten Wahlen zu retten.

Thatcher findet es immer schwerer, Aufgaben zu delegieren. Sie weiß alles und sie weiß es am besten. Thatchers Unfähigkeit, ihre Fehler und ihre Fehlbarkeit einzugestehen, hat ihre Partei in Verlegenheit gebracht. Das ist in der Kabinettsumbildung zu sehen. Sie konnte Nigel Lawson nicht entlassen, weil sie eine konträre Reaktion der Geldmärkte und damit der einzigen Kräfte, die sie auf der Welt respektiert - befürchten mußte.Daß der Posten des Innenministers Sir Geoffrey Howe angeboten wurde, ohne den Innenminister zu informieren, beweist eine tiefe Verachtung, sowohl gegenüber den betroffenen Individuen (und deren feige Billigung ihrer Behandlung macht die Verachtung nicht ganz unberechtigt) als auch gegenüber denjenigen, die so pompös als „hohe Staatsdiener“ bezeichnet werden.

Manchmal wird gesagt, daß dies eine Ein-Frau-Regierung sei. Richtiger wäre: Ein-Mann-Regierung - und noch dazu die eines toten Mannes. Margaret Thatcher hat stets die Ehrfurcht vor ihrem Vater betont. Sie ist seinen Vorurteilen und Obsessionen während ihrer zehn Jahre an der Macht treu geblieben. Das Großbritannien, das sie wieder aufzubauen suchte, entspricht den Vorstellungen eines kleinstädtischen Krämers der dreißiger Jahre. Es sind seine Fremdenfeindlichkeit und Verachtung von Ausländern, seine Verabscheuung des Steuersystems, seine Abneigung gegen öffentliche Ausgaben, sein Arbeitskult und seine Anbetung von Geld, die die britische Politik zehn Jahre lang gezeichnet haben. Frau Thatchers Kabinettsumbildung ist irrelevant: sie wird nicht die Politik ändern. Wenn diese Politik ein bedrückendes, kleinkariertes und knauseriges Großbritannien geschaffen hat, dann liegt das an dem Geist jenes Kleinstadt-Krämers, der über allem schwebt.

Jeremy Seabrook

Jeremy Seabrook, Journalist und Buchautor in London. Das ehemalige Mitglied der Labour Party ist inzwischen bei den englischen Grünen.

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