: Texte machen (neu)gierig
betr.: „Auch Arno Schmidt empfand das als Piraterie“ (Jan Philipp Reemtsma über das Problem von Raubdrucken, den Fall Schmidt, den Fall Adorno – und über Geld und Neid), tazzwei vom 4. 3. 04
Natürlich kenne ich Herrn Reemtsma nicht persönlich – beginnend mit dem Mäzenatentum für den großen deutschen Schriftsteller Arno Schmidt, gehörte er für mich zu den „Guten“. Beim Lesen dieses Interviews musste ich mir mehrfach die Augen reiben: Reemtsma scheint von allen guten Geistern verlassen; wüsste ich es nicht besser, ich hielte das Ganze für eine Fälschung.
Die Raubdrucker von „Zettels Traum“ mögen Schmidt objektiv geschadet haben – desto mehr, je perfekter die Fälschung ausfiel, vor Kopisten brauchten sich nur Autoren zu fürchten, wenn sie nicht taugten –, je besser das Werk, desto mehr profitiert der Künstler von Kopien. Abtippereien und Fotokopien sowie heute eine Verbreitung im Net können Autoren nicht schaden. Schmidt oder Adorno hätten wohl auch zuallerletzt etwas gegen die Publikation ihres Oeuvres in digitaler Form gehabt; beide, solchem Gerangel eh enthoben, verdienen solche Sachwalterei nicht. Texte machen (neu)gierig auf (gute) Bücher. Reemtsma auf dem Niveau einer verlogenen Musik- und Filmindustrie streitend wiederzufinden ist bitter!
MICHAEL TH. ZIELESNY, Münster
Das Interview kaprizierte sich leider ausschließlich auf das Urheberrecht. Dabei wäre es doch viel interessanter gewesen, wenn der Frager den Blick auf das vermeintlich Künstlerische der Aktion von Sebastian Lütgert, der sich und seine Arbeit als Kunst versteht und benennt, zu lenken. Vielleicht wäre dann herausgekommen, dass ganz andere juristische Bereiche (Art. 5 GG, Meinungsfreiheit) für den Fall in Frage kommen. Vielleicht hätte man dann andere Erkenntnisse als das übliche Szeneblabla über das Netz und seine Kunstformen gewonnen.
Zudem wurde die längst beerdigte Konkurrenz zwischen Print und Netz reanimiert, was mediale Differenzen wieder einmal verschleiert und das Netz nur in Verruf bringt.
Zuletzt kann man nur angesichts der klassisch-langweiligen Establishment-Reaktion Herrn Reemtsmas einnicken, leider.
MATTHIAS WEISS, Dortmund